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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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ob diese Vorsichts-
    maßnahme immer noch notwendig war. Wenn William es be-
    merkt hatte, so verlor er jedenfalls kein Wort darüber.
    »Hier«, sagte sie. Er streckte die Hand nach dem Messer aus,
    doch sie ging vor ihm in die Hocke und schnitt die Schnur selbst
    durch.
    William wickelte das Päckchen auf. Es enthielt nur ein leder-
    gebundenes Notizheft und einen kurzen Brief. Die gedrängte
    Handschrift in schwarzer Tinte schien sich nicht entscheiden zu
    können, ob sie nach rechts oder nach links kippen sollte.
    Polly nahm ihm den Brief aus der Hand. »Er ist von diesem
    Anwalt«, sagte sie. »Sydney Rose. Dein botanisches Skizzenbuch.
    Warum hast du es ihm gegeben? Wozu nur?«
    William schüttelte den Kopf. Er erinnerte sich nicht, Rose sein
    Skizzenbuch gegeben zu haben. Es war Monate her, seit er es zum
    letzten Mal in Händen gehalten hatte. Er wog es in der Hand.
    Der Ledereinband war zwar voller Flecken, fühlte sich aber noch
    immer weich und warm an. Als Polly ihren Bruder zu dem klei-
    nen Stapel Kisten führte, reichte sie William den Brief zurück. Er
    war sehr kurz.

    Mr. May,
    wenn Sie diesen Brief erhalten, genießen Sie ganz sicher längst
    wieder das Leben als freier Mann. Bis zum heutigen Tag fällt
    es mir schwer, meinen Erinnerungen an diese ungewöhnliche
    Abfolge von Ereignissen zu trauen, die zu Ihrer Entlastung
    führten. Sie werden gewiss für den Rest Ihres Lebens Gott dafür
    dankbar sein.
    Ihr ergebenster Diener
    Sydney Rose

    412
    Es war das erste Mal seit seiner Freilassung, dass William von
    Rose etwas hörte. Als man ihn in Woolwich endlich gehen ließ,
    hatte er fast den Anwalt erwartet. Jetzt aber hatte er Mühe, die
    Hand, die sich unbeholfen durch den Spalt der eisernen Zel-
    lentür gestreckt hatte, mit diesem in gedrängter Schrift und
    gestelzten Worten geschriebenen Brief in Verbindung zu brin-
    gen. Er empfand ein gewisses Unbehagen, auch wenn er nicht
    genau sagen konnte, warum. Er legte den Brief beiseite, schlug
    das Notizheft auf und blätterte darin. Polly sah ihn die Stirn
    runzeln.
    »Was ist los?«
    »Die hinteren Seiten sind alle herausgerissen«, erwiderte Wil-
    liam empört. »Warum nur? Alle meine Gedanken, alle meine
    Ü
    en
    berlegung
    hatte ich hier festgehalten. Jetzt sind sie für im-
    mer verloren.«
    Polly, die hinter ihm stand, legte ihm eine Hand auf die Schul-
    ter. Er ergriff ihre Hände und drückte sie an seine Lippen.
    »Deine schönen botanischen Zei hnungen«,
    c
    seufzte sie in sein
    Haar. »Mein armer Schatz. Das ist ein Verbrechen.«
    »Botanische Zeichnungen? Das sind Blumen, nicht wahr?«,
    fragte Maurice neugierig.
    William nickte.
    »Dann bist du also so was wie ein Gärtner.«
    Achselzuckend klappte William das Heft zu. »So was Ähn-
    liches.«
    Maurice wandte sich zu Polly. »Warum hast du mir das nicht
    gesagt, du Dummerchen? Im Herrenhaus wird immer ein Gärt-
    ner gebraucht, der einen Stängel von einer Blüte unterscheiden
    kann.« Er wandte sich zu William. »Ihre Ladyschaft ist ganz ver-
    rückt nach Blumen. Sie hat ein Treibhaus, gegen das sogar der
    Kristallpalast wie ein Gurkenbeet aussieht. Im Juni blüht ihr
    Garten in sämtlichen Farben des Regenbogens.«

    413
    »Maurice!«, wies Polly ihren Bruder zurecht. »William hat be-
    stimmt keine Lust, als einfacher Gärtner zu arbeiten. Er hat
    schließlich einen Beruf.«
    Maurice zuckte die Achseln. »Ich meine ja nur. Jedenfalls be-
    steht kein Mangel an Arbeit, wenn man – wie sagt ihr – bota-
    nisch bewandert ist «
    .
    »Jetzt reicht es aber ...«, fuhr Polly dazwischen.
    Sie verschränkte die Arme und schüttelte wütend den Kopf,
    aber William blieb stumm. Er bemerkte nicht, dass Polly auch ihn
    böse ansah, verärgert über sein Schweigen. Er senkte den Blick
    und lächelte. Ein Lächeln, das tief aus seinem Inneren kam und
    aus dem dunklen winterlichen Boden seiner Brust mit der Ent-
    schlossenheit eines bleichen Schneeglöckchens hervordrängte.
    Ein Hauch von Grün, als wäre es ein wenig seekrank, und so zart
    wie Papier. Galanthus nivalis. Ein Vorbote des Frühlings.

    414
    Danksagung

    D ie in diesem Buch geschilderten historischen Ereignisse sind
    authentisch, und einige der darin auftretenden Personen haben
    wirklich existiert; William, Tom und die Geschichte, die sie ver-
    bindet, sind jedoch frei erfunden. Sollten sich bei den histori-
    schen
    hreibungen
    Besc
    Fehler eingeschlichen haben, so gehen sie
    allein auf mein Konto.
    Um mir Sachkenntnis und

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