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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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nicht«,
    meinte er gedehnt und zuckte dabei die Achseln. »Is schon
    ̕nen bisschen was wert, würd ich sagen. So ̕ne wertvolle Aus-
    kunft.«
    »Sechs Penny«, knurrte Tom wütend.

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    Der Tagelöhner verzog das Gesicht. Der Lohn auf den Docks
    betrug vier Penny die Stunde.
    »Einen Shilling.«
    Tom griff in die Tasche und ließ die Münze in seiner offenen
    Handfläche liegen. Als der Tagelöhner danach greifen wollte,
    schloss Tom schnell die Hand.
    »Bezahlung bei Lieferung«, knurrte Tom, und sein Herz schlug
    vor Aufregung. Er hätte auch fünf Shilling gezahlt, sogar zehn,
    um etwas über Lady in Erfahrung zu bringen, aber man brauchte
    ja nicht freigiebiger zu sein als nötig, auch wenn man gerade zu
    etwas Geld gekommen war. Alte Gewohnheiten konnte man nicht
    so leicht abschütteln.
    Während der Tagelöhner erzählte, was er wusste, starrte er auf
    Toms geschlossene Hand. Besagten Hund habe er drüben in
    Kensal in einer Schenke namens Bridge Tavern kämpfen sehen.
    Ein merkwürdig aussehendes Tier, ein Mischling mit einem so
    dünnen Fell, dass die Haut darunter hervorschimmerte. Aber
    ein Siegertyp, kein Zweifel. Der Besitzer sei ein feiner Herr, ein
    Arzt vielleicht, aber genau könne er es nicht sagen. Der Tagelöh-
    ner kannte weder den Namen des Mannes, noch wusste er, wo-
    her er stammte. Er habe ihm keine große Beachtung geschenkt;
    ihm sei nur aufgefallen, dass er einen dunklen Bart hatte und
    sein Mantel im Unterschied zum Fell des Hundes dick und von
    feiner Qualität war. Der Mann sei zum ersten Mal in der Bridge
    Tavern aufgetaucht, dessen war sich der Tagelöhner sicher, denn
    wer einen solchen Hund einmal in den Ring schicke, den ver-
    gesse man nicht mehr. Dass dieser Gentleman neu war, habe
    man auch daran sehen können, dass er nicht mehr als ein, zwei
    Pfund an Wettgewinnen eingestrichen habe, aber er habe die
    Wettlust des Publikums gehörig angeheizt. Er schätze, meinte
    der Tagelöhner, beim nächsten Kampf würde gewettet wie ver-
    rückt. Er selbst werde vielleicht sogar einen Shilling oder zwei

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    setzen, fügte er hinzu, und seine Augen, die gierig auf Toms
    Hand gerichtet waren, wurden zu zwei Strichen. Man könne ja
    nie wissen.
    Das genügte vollauf. Tom gab dem Tagelöhner seinen Shilling.
    Die Münze war in seiner Hand ganz warm geworden und hatte
    einen makellosen rosa Abdruck hinterlassen, so deutlich, dass er
    damit fast neue Münzen hätte prägen können. Tom hielt sich die
    Handfläche an den Mund und küsste sie. Seine Hand zitterte,
    und das Herz pochte ihm in den Ohren. Er hatte sie gefunden. In
    einer Woche würde er sie wiedersehen, und auch den Captain
    oder den Doktor oder wer zum Teufel es auch sein mochte. Was
    er dann tun würde, war ihm noch nicht klar. Bei so etwas musste
    man Vorsicht walten lassen, aber er machte sich deswegen keine
    großen Sorgen. Er hatte sie gefunden. Im Übrigen hatte er noch
    eine Woche Zeit, um darüber nachzudenken.
    Und er dachte darüber nach, spielte alle Möglichkeiten in sei-
    nem Kopf durch, und jene sechs Tage wurden ihm endlos lang.
    Natürlich wusste Tom, dass es keinen Sinn hatte, den Captain
    am Ring zur Rede zu stellen. Ein mit allen Wassern gewaschener
    Schweinehund wie er würde nicht vor versammeltem Publikum
    auf die Knie fallen und seine Betrügerei gestehen, ebenso wenig
    wie er Tom freundlich die Hand schütteln und ihm das Geld
    aushändigen würde, das er ihm schuldete. Der Rote Joe riet ihm,
    dem Captain vor der Schenke aufzulauern und ihm im Schutz
    der Nacht seine Wettgewinne abzuknöpfen, aber die würden
    wahrscheinlich nicht annähernd der Summe entsprechen, die
    Tom noch zu bekommen hatte. Außerdem hatte der Captain die
    Angewohnheit, stets in Begleitung zu kommen, so dass er, Tom,
    im Nachteil sein würde. Feine Leute liefen nicht einfach so durch
    die Straßen wie das gemeine Volk. Sie fuhren in Droschken und
    Kutschen, und selbst wenn sie nicht in Begleitung unterwegs wa-
    ren, erwischte man sie auf der Straße selten allein. Es wäre ein-

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    facher, sich die Hündin wiederzuholen und auf diese Weise den
    Verlust wettzumachen, aber selbst wenn ihm das gelänge, was
    dann? Die Sache bedurfte sorgfältiger Planung, und als Erstes
    musste Tom die Lage sondieren. Doch als er, um nur ja keine
    Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, durch eine Geheimtür im
    Keller der Schenke den Raum mit der Kampfarena betrat und
    unbemerkt in eine dunkle Ecke schlüpfte, wusste er immer noch
    nicht, wie er

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