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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Bilder, Bilder von Hawkes Gesicht an je-
    nem Tag, als William mit ihm über den Vertrag für Abbey Mills
    zu sprechen versucht hatte. Hawke hatte damals bereits gewusst,
    dass England tot war. Wochen bevor die Leiche gefunden wurde,
    hatte Hawke es gewusst. Und er hatte dafür gesorgt, dass man
    William die Schuld dafür in die Schuhe schob. Ich fürchte, dass
    Ihre Probleme mit England gerade erst anfangen. Hawke hatte ge-
    grinst, weil er wusste, was kommen würde. Bitternis überflutete
    William, und es kostete ihn alle Mühe, sich nichts anmerken zu
    lassen. Nur allzu gut wusste er, dass es ihm jetzt nichts nützte,
    Beschuldigungen vorzubringen. Er biss sich auf die Lippen und
    konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen. Wenn er ruhig
    blieb, würde alles gut werden. Feste Gewohnheiten, Zuverlässigkeit, Disziplin, Systematik beim Lösen von Problemen. Systematisch setzte er seine Bestandsaufnahme fort.
    Er würde alles in seiner Macht Stehend
    e tun, um die Polizei
    bei ihren Ermittlungen zu unterstützen. Erledigt.
    Wenn Polly erst einmal alles begriffen hatte, würde sie ihn
    nicht mehr mit diesem Blick ansehen. Sie könnten noch einmal
    von vorn beginnen, irgendwo weit weg von d r
    e Stadt, weit weg
    von den Abwasserkanälen. Erledigt.
    Er durfte die Beherrschung nicht verlieren. Erledigt. Erledigt.
    Erledigt. NUR DIE BEHERRSCHUNG NICHT VERLIEREN. In
    der Anstalt gab es keinen Spiegel, aber er wusste auch so, wie er
    den frisch gebügelt und gestriegelt daherkommenden Kriminal-
    beamten gegenübertrat, mit seinem schorfigen Gesicht, dem
    ungekämmten Haar und den nach hinten verdrehten Armen in
    der Zwangsjacke. Sie hatten ihn kostümiert wie einen Irren. Sie
    wollten ihn zu einem Irren machen. Die Angst jagte ihm ein
    Kribbeln über den ungewaschenen Schädel. Wenn er sich auch

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    nur eine Sekunde lang gegen die Zwangsjacke wehrte, hätten sie
    den Beweis für seine Schuld. Aber er war unschuldig. Vor einem
    englischen Gericht galt ein Angeklagter so lange als unschuldig,
    bis seine Schuld bewiesen war. Und bislang war er noch nicht
    einmal verhaftet. Es würde Fragen geben, aber William würde
    die Möglichkeit erhalten, darauf zu antworten. Diese Männer
    hegten keinen Groll gegen ihn persönlich. Sie suchten nach der
    Wahrheit. Er musste ruhig bleiben, nur dann sprechen, wenn er
    gefragt wurde, jede Frage sorgfältig durchdenken und höflich,
    ernst und ohne Umschweife antworten. Dann würden sie er-
    kennen, dass er einer von ihnen war, ein Fachmann, ein Ehren-
    mann und ebenso wenig geistesgestört wie sie selbst. Die briti-
    sche Verfassung schützte die Rechte jedes Bürgers, insbesondere
    die eines Mannes von Rang und gutem Ruf, eines respektablen
    Bürgers, der er bis vor kurzem gewesen war. Er musste nur Hal-
    tung bewahren, sich wie ein geistig gesunder Mann benehmen
    und die Wahrheit sagen. Dann würde ihm Gerechtigkeit wider-
    fahren.
    Langsam, fast feierlich, nahmen die Polizisten Platz, der In-
    spektor in der Mitte. Er setzte seinen Hut ab und strich sich mit
    den Händen sanft über das drahtige graue Haar, als wäre es die
    Perücke eines Richters. Dann zog er seine Brille ein Stück weit
    nach unten und musterte William über die Gläser hinweg von
    oben bis unten. Eine ganze Weile starrte er ihn eindringlich an,
    um dann plötzlich, als besänne er sich, die Brille wieder ganz
    nach oben zu schieben und sich den Schriftstücken zuzuwenden,
    die vor ihm lagen. Mit missbilligend verkniffenem Mund und ge-
    senktem Blick bedeutete er Peake, William zu seinem Stuhl zu
    bringen, der sich wegen der auf den Rücken gefesselten Arme mit
    der Vorderkante begnügen musste. Der Inspektor ordnete seine
    Schriftstücke und blickte auf.
    »Dann fangen wir mal an.«

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    Der Polizeibeamte zu seiner Rechten beugte sich über sein
    Notizheft und leckte erwartungsvoll den Bleistift. William war-
    tete gespannt auf die erste Frage. Durch das schmutzige Fenster
    konnte er ein Stück blassblauen Himmel sehen und einen Vo-
    gel, der sorglos durch die Lüfte schwebte. Ruhig, aufmerksam
    und höflich bleiben. Am Morgen hatte er so getan, als würde er
    sein Chloral schlucken, aber als Vickery gegangen war, hatte er
    den Kopf zur Seite gelegt und die Flüssigkeit aus seinem Mund
    in das Matratzenstroh rinnen lassen. Vielleicht hätte er es doch
    nehmen sollen, ging ihm plötzlich durch den Kopf. Vielleicht
    würde er dann nicht von diesem schrecklichen Hämmern in
    seinem Schädel gepeinigt. Er fuhr

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