Der Vermesser
der ihm ermun-
ternd zunickte. Doch plötzlich verstummte der Vorarbeiter.
Rose wartete, aber d r
e Mann sagte nichts mehr, sondern fixierte
nur die Laterne auf seinem Schoß.
»Er meint, da unten ist etwas versteckt«, sagte Rose schließlich
sehr leise. »Ein Beweisstück, das ihn entlastet. Wenn man es nur
finden würde.«
Der Vorarbeiter blieb stumm.
»Es wäre schrecklich, wenn sie den Falschen hängen würden«,
murmelte Rose. Die Worte senkten sich sachte wie Staub herab.
Ganz langsam begann er seine Sachen zusammenzusuchen,
setzte sich den Hut auf, zog die Handschuhe an und griff nach
seinem Regenschirm.
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Der Vorarbeiter nagte an den Lippen, die Laterne vor sich auf
den Knien.
»Trotzdem, Vorschrift ist Vorschrift«, murmelte Rose wie zu
sich selbst. »Vorschrift ist Vorschrift.« Er lüpfte zum Abschied
den Hut, nahm seine Aktenmappe mit den Dokumenten und
schritt zur Tür.
»Ich kenn einen, der könnt̕s machen.« Die Stimme des Vorar-
beiter klan
s
g barsch. »Natürl
u
ich n r gegen Bezahlung.«
»Wo finde ich ihn?«
Der Vorarbeiter nannte eine Taverne in einer der Straßen
nördlich des Regent Circus.
»Fragen Sie einfach. Alle kennen ihn.«
»Und wie heißt er?«
Der Vorarbeiter zuckte die Achseln. »Man nennt ihn nur den
Langarmigen Tom.«
Am Ende der Gasse in St. Giles blieb der Junge stehen und wies
mit seiner schmutzigen Hand in eine Richtung. Er könne ihn
nicht weiter begleiten, aber wenn Rose nach links abböge und
dann stracks nach rechts, käme er direkt zum East Court. Dann
verschwand der Junge. Obwohl es noch längst nicht dunkel war,
herrschte eine geradezu unheimliche Stille. Rose begegnete kei-
ner Menschenseele, als er durch die aufgeweichten Straßen stapf-
te, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Eine so elende Ge-
gend hatte er noch nie gesehen. Die Gasse war kaum mehr als
eine Furche zwischen den Häusern, erfüllt vom widerwärtigen
Geruch nach Schmutz und Exkrementen. Die Häuser waren
baufällig, die zerbrochenen Fensterscheiben mit Stofffetzen und
Papier notdürftig geflickt, die zersplitterten Haustüren hingen
schief in den Angeln. Farblose Lumpen baumelten an Wäsche-
leinen über seinem Kopf und verdeckten das bisschen Himmel
zwischen den Häusern. Die Straße war knöcheltief mit Abfall
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und verrottendem Gemüse übersät und voller Pfützen. Mehr als
einmal stolperte Rose über einen Müllhaufen und musste hus-
ten, als ein erstickender Geruch daraus hochstieg. In den Abwas-
serkanälen konnte es nicht schlimmer sein. Die ärmlichen Häu-
ser schienen sich Bettlern gleich über ihn zu beugen, und ihre
stinkenden Ausdünstungen brannten ihm heiß im Nacken. Nir-
gendwo ein Mensch, nur düstere Torwege und niedrige Bogen-
gänge mit bedrohlich lauernden Schatten. Rose schluckte, den
Blick starr geradeaus gerichtet, trotzdem sah er links und rechts
Augen aufblitzen, ein Messer oder eine Würgschraube blinken.
Er beschleunigte seinen Schritt. Ihm war übel, und sein Speichel
schmeckte bitter. Reiner Wahnsinn, sich allein und schutzlos
hierher zu wagen. Das hatte ihm auch der Wirt des Black Badger
zu verstehen gegeben, als er ihm seinen Gehilfen als Begleiter an-
bot. Er wolle nicht, dass er sein Ziel verfehle, hatte er gesagt und
dabei den Kopf geschüttelt, während er Roses gebügelten Anzug
und seine glänzenden, wenn auch schmutzverkrusteten Leder-
schuhe musterte. Er hoffe, Tom stecke nicht in der Klemme,
hatte er gesagt und Rose dabei neugierig angesehen. Als Rose
ihm seine Karte überreichte, fuhr er sich mit der Zunge über den
breiten Mund, als wollte er sich die Reste der Bratensoße vom
Mittagessen ablecken. Ein Anwalt sei er also. Sehr interessant. Er,
der Wirt, sei noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Und
er gebe gewiss kein Geheimnis preis, wenn er ihm sage, dass Tom
im East Court zu finden sei, linker Hand, wenn man vor dem
Eingang stand, im zweiten Stock.
Der Eingang zum Hof war nur ein Spalt zwischen zwei
Häusern, die sich bedrohlich aneinander lehnten, mit Mauern
schwarz von Ruß und Verfall. Nicht breiter als ein Wäsche-
schrank, und wenn Rose die Arme ausbreitete, konnte er die
beiden Türen rechts und links gleichzeitig berühren. Der Ein-
gang ähnelte mehr einem schmalen Felsspalt als dem Zugang
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zu menschlichen Behausungen. Der Gestank nach Kanalisation
und Körperausdünstungen raubte ihm den Atem. Rose hatte
den unbändigen Wunsch
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