Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
Vom Netzwerk:
gefährlich.
    »Ich glaub, ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte Tom achselzu-
    ckend. »Ich geh nämlich nicht mehr in die Tunnel. Schon seit
    Jahren nicht mehr. Is ja verboten heutzutage.«
    »Aber es muss doch Mittel und Wege geben, um hinunterzu-
    kommen. Legal oder nicht. Ich bezahle Sie dafür.«
    Tom schüttelte entschieden den Kopf. »Unmöglich, nicht
    jetzt, wo sie die Flussschleusen zugemacht haben.«
    »Dann ...«
    »Tja, so isses. Da is nix zu machen.«
    Rose sah den alten Mann einen kurzen Moment flehentlich
    an. Dann stieß er Luft aus – geräuschvoll wie der Ballon in Cre-
    morne, wenn er herunter
    e
    gelass n wurde – und starrte unglück-
    lich vor sich auf den Tisch.
    Tom nahm ungeduldig einen Schluck Bier. »Aber Sie könnten
    was für mich tun«, sagte er schnell. »Wo Sie schon mal hier
    sind.« Er tastete nach seinem Jackensaum. »Hab hier ein recht-
    liches D
    n
    okument, ̕ en Vertrag. Weiß nur nicht genau, wie ich
    kriegen kann, was mir zusteht.«
    Rose ließ seine Finger niedergeschlagen über ein Astloch in
    der Tischplatte gleiten.
    »Hier.« Tom entfaltete das Schriftstück und schob es ihm hin.
    Rose presste die Finger auf die Augen. Kopfweh kündigte sich
    an, und der Schmerz zog den Nacken hinunter bis zu den Schul-
    tern. Als er die Augen schließlich wieder aufschlug, blickte er
    gleichgültig auf das Dokument vor ihm.
    »Was zum ...?« Rose starrte das Schriftstück mit offenem
    Mund an. »Wo um alles in der Welt haben Sie das her?«
    »Es ist nicht mehr als das, was mir zusteht«, gab Tom rechtfer-
    tigend zurück. »Ich hab jemand ̕nen Hund verkauft, das is alles.

    353
    Und jetzt will
    er nicht zahlen, as
    w hier in dem
    r
    Vert ag steht, also
    will ich meinen Hund zurück. Mehr nicht.«
    Rose runzelte die Stirn. »Das ist ein Vertrag für die Lieferung
    von Sand.«
    »Nein, es geht um ̕nen Hund. Da ü
    f r hab ich ̕nen Zeugen.
    Hier, sehen Sie ...«
    »Fünf Tonnen Sand zur Herstellung von Zement. An das Amt
    für öffentliche Bauvorhaben, datiert vom 12. Dezember 1858. Be-
    zeugt von einem Mr. Badger.«
    Rose deutete auf die Stelle mit Brasseys Unterschrift.
    »Aber... Brassey – mein Gott, dieses verlogene Schwein ...«
    Rose hörte ihm jedoch gar nicht zu. Er kramte in seinen Man-
    teltaschen und holte ein anderes Schriftstü k
    c heraus, das er ne-
    ben Toms Dokument auf den Tisch legte.
    »Das ist er. Derselbe Briefkopf, sehen Sie? Und dieselbe Unter-
    schrift, hier. Die Namen sind verschieden, aber ...« Rose sah
    Tom eindringlich an. »Wem, sagen Sie, haben Sie Ihren Hund
    verkauft?«
    »Hier nennen ihn alle d n
    e Captain. Wie er wirklich heißt, weiß
    ich nicht.« Tom räusperte sich. »Ich kenn ihn ja kaum.«
    Rose legte die Papiere so übereinander, dass sich die Unter-
    schriften fast überlappten. Seine Augen leuchteten. »Er hat mit
    dem Namen Smith unterschrieben. Aber die Handschrift ist
    dieselbe, unverkennbar.« Rose deutete auf das Blatt. »Wie die
    Buchstaben nach hinten kippen, die Schnörkel beim ›m‹ hier
    und hier beim ›w‹. Er hat Sie um Ihren Hund betrogen, er und
    dieser Mr B
    . adger.«
    »Hab ich doch gesagt, oder nicht?«
    »Nun«, meinte Rose triumphierend und packte den alten
    Mann am Ärmel. »Sie wollen Ihr Geld, nicht wahr?«
    »Hätt lieber meinen Hund zurück«, murmelte Tom.
    »Tatsächlich?«

    354
    Tom runzelte die Stirn angesichts der überraschten Miene sei-
    nes Gegenübers und entwand sich seinem Griff.
    »Nun gut«, sagte Rose hastig. »Dann eben den Hund. Aber
    wenn ich Ihnen helfen soll, muss ich alles wissen. Sie müssen mir
    alles erzählen, was Sie über den Mann wissen, den Sie Captain
    nennen. Sein richtiger Name ist übrigens nicht Smith. Er heißt
    in Wirklichkeit Hawke.«

    355

XXIX

    E s war Ebbe. Tom watete im Kanal bis zu der Nische, wo er sich
    im Dunkeln niederkauerte. Während sich das Wasser immer
    mehr zurückzog, sammelte sich das feste Treibgut entlang der
    Backsteinmauer, wo der Tunnel eine scharfe Biegung machte.
    Hier, direkt neben ihm, hatte Lady gern gesessen. Die Stelle war
    ihm so vertraut, dass er hätte schwören können, ihre Silhouette,
    weiß wie ein Gespenst, zu sehen, auch nachdem er die Blende
    seiner Laterne längst geschlossen hatte. Ihren Kopf in seiner
    Hand zu spüren hatte für ihn immer etwas Tröstliches gehabt.
    Jetzt jedoch ballte er die Fäuste, legte die Arme um die Knie und
    kniff die Augen so fest zusammen, dass Ladys bleiche Umrisse
    im dunkelroten Funkenregen hinter

Weitere Kostenlose Bücher