Der Vermesser
Ab-
wesenheit wiederkommen. Hastig kritzelte er Ladys Namen auf
einen schmutzigen Fetzen Papier und nickte in Richtung einer
leeren Bank.
»Sie ist gut«, sagte Tom leise.
»Tatsächlich?«, meinte Brassey gleichgültig. Sein Blick war auf
die Tür gerichtet. »Also, bring sie rauf, wenn es so weit ist. Wenn̕s
genug Zuschauer gibt, kann sie von mir aus in den Ring.«
»Ist der rosa Köter dort nicht die Hündin von dem alten Jere-
miah?«, fragte ein Mann und zeigte mit dem Finger auf Lady, als
sich der Schankraum langsam füllte. Mit seinem schmuddeligen
hohen Kragen und dem zerschlissenen Gehrock wirkte er wie
ein miesepetriger Pfaffe, der schon einmal bessere Zeiten erlebt
hatte. Sein Gesicht war blau gemasert wie ein Stilton-Käse.
Sein Kumpel, ein Straßenhändler, der nach verdorbenem
Fleisch stank, schüttelte den Kopf, während er Ladys Pfoten
drückte.
»Nicht möglich. Jerry ist vor mehr als drei Monaten hopsge-
gangen. Jedenfalls hatte sein Hund nicht ein Fitzelchen Fleisch
auf den Knochen. Der hier sieht zwar komisch aus, aber ich sag
dir, der hat ordentlich Saft in den Schenkeln ...«
Dabei warf der Straßenhändler einen verstohlenen Blick über
die Schulter und senkte die Stimme zu einem Flüstern.
Ein wenig später eilte Brassey zur Tür hinüber. Der Captain
war eingetroffen. Wieder wurde er von seinem schmalgesichti-
gen Freund begleitet, der an diesem Abend noch dürrer und fah-
ler aussah als zuvor, fand Tom.
»Hoffentlich hast du heute ein paar richtige Mörderhunde
hier, Jem. Ein bisschen frisches Blut.« Der Captain grinste und
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zeigte abei
d
seine Zähne. »Ich möchte nicht noch einmal ent-
täuscht werden.«
»Aber Captain, wieso denn enttäuscht? Bei den fantastischen
Hunden, die wir diesmal für Sie haben?«, säuselte Brassey und
drehte den halslosen Kopf hin und her. »Ganz bestimmt nicht.«
Er grinste wie eine Kröte übers ganze Gesicht. Als er jedoch
herumwirbelte, um seinen Gehilfen beim Kragen zu packen, er-
starb dieses Grinsen urplötzlich, als hätte man Salz darauf ge-
streut. Wenn der Raum oben nicht in zwei Minuten offen sei,
zischte er dem Jungen ins Ohr, könne er was erleben.
Mit trippelnden Schritten geleitete Brassey den Captain zu
seiner Loge. Doch der wollte sich nicht setzen. Stattdessen klet-
terte er in die Manege, angefeuert von seinem Begleiter, der
spitze Schreie ausstieß und sich wie eine Dame kurz vor einem
Ohnmachtsanfall ein Taschentuch vor den Mund hielt. Der Cap-
tain schob Brasseys Gehilfen beiseite und begann, die Ratten
nacheinander am Schwanz aus dem Käfig zu ziehen. Der Omni-
busfahrer warnte ihn, sich vorzusehen, dass er nicht gebissen
werde, aber der Captain schenkte ihm keine Beachtung. Als eine
Ratte sein Bein hochklettern
l
wol te, packte er sie und schleu-
derte sie durch die Luft.
»Weg mit dir, du Drecksvieh«, knurrte er wütend und ver-
setzte der Ratte noch in der Luft einen Fußtritt, so dass sie
quer durch den Ring flog und mit einem dumpfen Knall an der
gegenüberliegenden Wand aufprallte. Die Zuschauer johlten
vor Begeisterung. Daraufhin verneigte sich der Captain, trat
noch nach zwei weiteren Ratten, die an seinem Hosenauf-
schlag schnüffelten, stieg aus dem Ring und schnippte mit den
Fingern.
»Also los!«, donnerte er mit gerötetem Gesicht und lehnte
sich so weit über die Bretterwand, dass die Gaslampen seine
dunklen Augen aufblitzen ließen. »Fangen wir an!«
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Der erste Hund bot nicht gerade eine Glanznummer, ebenso
wenig wie der zweite. Wütend rief der Captain zwei verlässliche
Hundebesitzer zu sich und verlangte, dass sie ihre Tiere antre-
ten ließen. Zögerlich schüttelten die beiden den Kopf und mein-
ten, ihre Hunde seien zurzeit nicht ganz auf der Höhe und solch
großen Ratten noch nicht gewachsen. Die Miene des Captain
verfinsterte sich. Er griff sich den Spazierstock seines Freundes
und hieb mit dem silbernen Knauf auf die ziellos umherhu-
schenden Ratten ein. Nicht lange, und er traf eine am Schädel,
worauf
das Tier durch
den Ring taumelte und schließlich zu-
sammenbrach.
»Herr im Himmel! Wenn selbst ich das kann ...«, zischte er
seinem Freund zu, der kichernd die Blutspritzer auf seinem
Gehstock begutachtete. Dabei streckte er die Zungenspitze zwi-
schen den Zähnen heraus, als wollte er das Blut ablecken.
Besorgt schickte Brassey einen weiteren Hund in den Ring.
Dieser verzog die Schnauze zu einer bösartigen
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