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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Fratze, näherte
    sich seiner Beute aber nur zaudernd, und als ihm eine Ratte ins
    Gesicht sprang, zuckte er wie ein verschrecktes Kind zusammen
    und lief Schutz suchend zu seinem Sekundanten. Der klatschte
    wütend in die Hände und brüllte den Hund an, er solle endlich
    kämpfen, aber all seinen Bemühungen zum Trotz konnte er in
    dem Tier keinen Blutdurst wecken, es blieb ängstlich. Zwar un-
    ternahm es ein paar matte Vorstöße, aber die Ratten hatten es
    eingeschüchtert, und sie
    n
    wusste es. Gemeinsam gingen sie nun
    gegen den Hund vor.
    Zornig trat der Captain gegen die Brüstung und verlangte, der
    Sache ein Ende zu machen. »Du verschwendest meine Zeit, Bras-
    sey! Jedes Damenkränzchen wäre aufregender gewesen.«
    »Aber nicht doch, mein Freund«, meinte der Wirt beschwich-
    tigend. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Nur die Ruhe. Es
    hat ja noch gar nicht richtig angefangen.«

    128
    Der Captain lachte höhnisch auf und griff nach seinem Hut.
    Hinter ihm finge e
    rt sein Begleiter an seiner Halsbinde herum,
    während ein einfältiges Grinsen um seine Mundwinkel spielte.
    »Komm, Henr «,
    y
    brummte der Captain. »So eine drittklassige
    Arena werden wir uns nicht wieder antun.«
    Endlich fand e
    in echter Kampf statt. Die Zuschauer ver-
    stummten, um alles genau zu verfolgen.
    »Meine Herren, bitte, meine Herren. Überstürzen Sie nichts.«
    Brasseys Äuglein irrten hektisch umher. »Ah, Tom! Hier, meine
    Herren, hier haben wir eine Hündin, der Sie Ihre Aufmerksam-
    keit schenken sollten. Sie hat noch nie zuvor gekämpft.«
    Der Captain knurrte wütend und trat seinen Stuhl um.
    »Zumindest nicht hier«, fügte Brassey hastig hinzu. »Aber im
    Borough ist sie ein Ass. Richtig berühmt ist sie dort. Ein Phänomen. Stimmt̕s, Tom? Ihr zwei seid berühmt im Borough.«
    Er zupfte Tom heftig am Ärmel. Tom erwiderte nichts, statt-
    dessen streichelte er Ladys Ohren. Sie rieb den Kopf an seiner
    Hand.
    »Ein Phänomen?«, fragte der Captain verächtlich. »Diese Pro-
    menadenmischung?«
    Verhaltenes Gelächter hallte durch den Raum. Brassey schluck-
    te, und seine Froschaugen traten noch weiter hervor. »Aber ge-
    wiss. Hab selbst schon eine Menge Geld auf sie gesetzt, schon oft.«
    Er leckte sich die Lippen, als er beflissen den Stuhl des Captain
    wieder aufstellte und das Sägemehl von der Sitzfläche wischte.
    »Komm schon, Tom. Zeig dem Captain, was für ein Prachtstück
    sie ist.«
    Der Captain zögerte. Dann warf er mit einem Achselzucken
    seinen Hut auf den Stuhl nd
    u
    verschränkte die Arme vor der
    Brust. Er setzte sich nicht.
    »Also gut, zeig es mir, mit deinem Bastard«, meinte er gelang-
    weilt. »Das Gemetzel soll beginnen.«

    129
    Eine neue Ladung Ratten wurde in den Ring gebracht. Ganz
    ruhig löste Tom die Leine von Ladys Hals und umfasste mit bei-
    den Händen ihre Schnauze. Sie blickte ihn mit ihren rosafarbe-
    nen Augen unverwandt an. Dann hob er sie über die Brüstung.
    »Was soll das?«, zischte Brassey mit puterrotem Gesicht. »Du
    machst doch den Sekundanten, oder? Du musst mit in den
    Ring.«
    Aber Tom schüttelte den Kopf. »Nein. Sie mag das nicht.«
    »In drei Teufels Namen, Mensch ...«
    Ohne auf den Wirt zu achten, setzte Tom Lady sanft auf den
    Boden. Die Leute im Publikum murmelten und schüttelten die
    Köpfe. Der Captain sah finster drein. Einen Augenblick lang hielt
    Tom die Hündin ganz ruhig fest, die Hände um ihren Brustkorb
    gelegt, die Finger zwischen ihren Rippen. Ungeduldig klopfte
    der Captain mit dem Fuß auf den Boden und trommelte mit den
    Fingern an die Bretterwand. Brassey ballte die feuchten Hände
    zu Fäusten und schloss die Augen. Dann richtete Tom sich auf
    und faltete die Hände, ohne seinen Hund aus den Augen zu las-
    sen. Auch Lady stand ruhig da und blickte aufmerksam auf den
    kreischenden Haufen Ratten. Sie sah klein aus und sehr rosa.
    Und dann, ohne einen Laut, machte sie sich ans Töten. Eine
    Ratte nach der anderen biss sie tot, noch eine und noch eine, fast
    ohne Atempause. Das Publikum starrte mit offenem Mund. Der
    Captain hatte aufgehört zu trommeln und umklammerte den
    Rand der Bretterwand. In seinen Augen leuchteten Gier und
    Freude. Es dauerte nur wenig mehr als eine Minute, bis ein Dut-
    zend verendender Ratten mit blutrotem Genick im Ring lag und
    der weiß gestrichene Boden mit Blutspritzern übersät war. Als das
    Ende des Kampfes ausgerufen wurde, stapelten sich die toten Rat-
    ten wie schmutzige Sandsäcke an der Wand.

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