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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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Leise rief Tom Lady
    zu sich. Gehorsam setzte sie sich, jeder Muskel gespannt, den
    Blick auf die wenigen Ratten geheftet, die noch am Leben waren.

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    Einen Augenblick herrschte erstauntes Schweigen, dann bra-
    chen die Rufe los. Der Captain schlug mit der Faust donnernd an
    die Bretterwand. Seine Augen funkelten,
    d
    un sein Atem kam in
    hechelnden Stößen wie bei einem Hund.
    »Mehr!«, befahl er. »Gebt ihr mehr Ratten!«
    Frenetisch nahm das Publikum den Befehl auf. Mehr! Mehr!
    Fäuste mit Münzen wurden geschwenkt. Mehr! Hier! Mehr!
    »Warum eigentlich nicht!«, krähte Brassey und tänzelte ent-
    zückt umher, als er den Geldschein erspä t
    h e, den der Freund des
    Captain in der Hand hielt. »Der Köter soll noch mal antreten.«
    Tom b ugte
    e
    sich in den Ring hinab und hob Lady heraus. Pro-
    testrufe erschollen. »Das reicht«, sagte er seelenruhig.
    »Aber Tom ... Tom, komm schon, noch mal zwanzig Stück ...«,
    sagte Brassey.
    »Sie hat genug«, erwiderte Tom entschlossen.
    »Was für eine Kampfmaschine«, meinte der Captain leise, zu
    Tom hinübergebeugt. Er streckte die Hand aus, um Lady über
    den Kopf zu streicheln, doch da fletschte die Hündin lautlos die
    Zähne. Worauf der Captain mit einem schalen Lächeln in die Ta-
    sche griff, m
    u sich eine Zigarre herauszuholen. »Eine wirklich
    gute Kampfmaschine.«
    »Hab ich̕s nicht gesagt?«, fuhr Brassey triumphierend dazwi-
    schen und hielt dem Captain ein brennendes Zündholz hin. »Ein
    Phänomen. Und Tom will sie hier bei mir regelmäßig kämpfen
    lassen, stimmt̕s, mein Freund? Regelmäßig.«
    Der Captain sog den Rauch ein und lehnte sich an die Bretter-
    wand, so dass Brassey beiseite treten musste.
    »Ich bin auf der Suche nach einem Hund«, sagte er zu Tom.

    Tom schwieg. Der Captain schürzte die Lippen und blies eine
    Kette makelloser Ringe in die Luft.
    »Wenn deine Hündin in einer Minute fünfzehn Ratten töten
    kann, gebe ich dir fünfzig Guineen für sie.«

    131
    »Hundert.«
    Der Captain verschluckte sich am Rauch. »Einhundert Gui-
    neen?«, stieß er hustend hervor. »Bist du verrückt geworden?«
    »Das ist mein Preis.«
    Der Captain musterte Tom von oben bis unten. Das Haar des
    Kanaljägers war zu klumpigen Strähnen verkrustet, und seine
    alte Jacke dünstete den Gestank der Kanäle aus. Nur Gott allein
    wusste, wie übel der Geruch für die Hündin sein mochte, die
    ihre Schnauze in sein Revers gesteckt hatte. Einhundert Gui-
    neen! Der alte Gauner wollte ihn wohl auf den Arm nehmen? Ein
    Landstreicher wie er musste doch schon it
    m fünfzig Guineen der
    glücklichste Mensch auf Erden sein.
    »Ganz unmöglich«, erwiderte er mit einem Achselzucken.
    »Fünfzig ist das Äußerste, was ich zahle.«
    Auch Tom zuckte die Ach e
    s ln, »Einhunder «
    t , sagte er o
    n ch
    einmal.
    Einen Augenblick starrten sich die beiden Männer an. Tom
    zeigte sich völlig ungerührt, während das eine Auge des Cap-
    tain zuckte und sich auf seinen Wangen zwei rote Flecken bil-
    deten.
    »Fünfundsiebzig«, sagte der Captain schließlich.
    Tom zog eine Augenbraue hoch. »Gute Nacht, Brassey«, sagte
    er ruhig und nickte dabei über die Schulter des Captain hinweg
    dem Wirt zu.
    »Nun komm schon, Tom«, drängte Brassey, der den Captain
    nervö beä
    s
    ugte. »Fünfundsiebzig Guineen ...«
    »Gute Nacht«, sagte Tom erneut.
    Der Captain musste ein paar Riesenschritte gemacht haben,
    denn er war schon an der Tür, als Tom sie öffnen wollte.
    »Achtzehn in einer Minute.«
    »Für einhundert Guineen?«
    »Für einhundert Guineen.«

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    Tom überlegte einen Augenblick und streichelte dabei zärtlich
    Ladys Ohr. Dann nickte er.
    »Morgen Abend?«
    Tom schüttelte den Kopf. »Das Tier braucht Ruhe.«
    Der Captain grinste höhnisch, hielt aber den Blick auf Lady
    geheftet, als wäre sie ein saftiges Steak.
    »Ich dachte, sie ist ein Phänomen.«
    »Sie haben sie ja erlebt.«
    »Ein Phänomen ohne Mumm in den Knochen«, gab der Cap-
    tain barsch zurück und fuchtelte mit der brennenden Zigarren-
    spitze der Hündin vor der Schnauze herum. »Du glaubst, für so
    etwas a
    z hle ich einhun

    dert Guineen?«
    »Dann lassen Sie̕s eben«, erwiderte Tom achselzuckend.
    Der Captain kaute auf seiner Zigarre, um schließlich einen
    Schwall

    Rauch auszustoßen. »Na g
    ut, na gut«, gab er wütend
    nach. »In einem Monat, von heute an.«
    »Einhundert Guineen«, wiederholte om
    T
    langsam, als wollte
    er sich die Worte auf der Zunge zergehen

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