Der Vermesser
lassen.
»Einhundert Guineen.« Der Captain blickte die Hündin fins-
ter an, aber die Gier legte einen sanften Zug um seine Mundwin-
kel. »Sie täte gut daran zu beweisen, dass sie es wert ist.«
Einhundert Guineen. An jenem Abend trug Tom Lady, die
sich an seine Brust schmiegte, den ganzen Weg nach Hause. Ein-
hundert Guineen. Achtzehn in einer Minute waren ein harter
Brocken, aber nicht unmöglich, nicht für Lady. Sie war kein ge-
wöhnlicher Hund. Tom würde seine einhundert Guineen be-
kommen, daran bestand kein Zweifel. Wen kümmerte es jetzt
noch, wenn man der Königin von England unten in den Tun-
neln einen Palast baute? Er würde dort nicht mehr hinunterstei-
gen müssen, selbst wenn er noch ein Dutzend Jahre zu leben
hätte. Einhundert Guineen! Der Gegenwert für Abertausende
von Ratten, für jahrelanges Rattenfangen, sofern das überhaupt
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möglich war – für einen einzigen Hund. Jemand hatte ihn mit-
leidig angelächelt, damals, als er Lady vor dem Badger auflas.
Wer hätte gedacht, dass jemand wie er ein solches Glück haben
würde? Einhundert Guineen. Einhundert Guineen! Es war gera-
dezu ein Wunder.
In seiner Unterkunft teilten sich die beiden eine Schüssel Ein-
topf. Da rührte sich in ihm auf einmal ein Gefühl der Angst.
Vielleicht war es falsch gewesen, auf einem Monat zu bestehen.
Das gab dem Captain genügend Zeit, es sich anders zu überle-
gen, sich für einen anderen Hund zu begeistern. Tom schluckte
schwer und nahm noch einen Bissen Brot. Andererseits kamen
Hunde wie Lady nicht jeden Tag vorbeispaziert. Und er hatte
Zeit, sie noch ein wenig mehr für den Kampf zu trainieren, da-
mit ihm das Geld auch sicher war. In ein paar Wochen würde er
seine hundert Guineen bekommen – einhundert Guineen! –,
und der Captain, ja, der Captain würde Lady bekommen. Toms
Hand wanderte wie von selbst zu der Stelle auf ihrem Bauch, an
der sie gern gekratzt wurde. Sie räkelte sich wohlig und schloss
die Augen. Beim Captain würde sie ein gutes Leben haben. Ein
Einhundert-Guineen-Hund würde fürstlich leben und nur das
beste Fleisch erhalten. Er versuchte zu vergessen, wie der Cap-
tain Lady angesehen hatte, mit einer Gier, als würde er sie am
liebsten fressen. Sehr wahrscheinlich würde er sie in seinem
eigenen Bett schlafen lassen, damit sie vor Dieben sicher war.
Einhundert Guineen. Er musste erkannt haben, dass sie der ge-
borene Kampfhund ist.
Soße tropfte von der Schüssel auf die blanken Dielen. Tom zit-
terten die Knie. Es war ihr Gewicht, sie war zu schwer für seine
alten Beine. Er stellte die Schüssel ab, und Lady streckte sich wie
eine Katze zufrieden in seinem Schoß aus. Im Kerzenlicht wirkte
sie rosafarbener denn je. Sie sah eigenartig aus, dachte er, und
plötzlich verspürte er ein seltsames Würgegefühl, als wäre ihm
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ein Stück Fleisch in der Kehle stecken geblieben. Er schluckte an-
gestrengt, aber das Gefühl ließ nicht nach. Jetzt kitzelte es ihn
auch noch in der Nase, und er rieb sie unwirsch an seinem Är-
mel. Er hatte nie jemanden gebraucht, sein ganzes Leben nicht.
Das Alleinsein war er gewohnt. Ihm war es immer recht gewe-
sen, niemand zu haben, der von ihm abhängig war oder ihm zur
Last fallen konnte. Für solche Dinge war er inzwischen zu alt.
Und Lady, ja, Lady würde in der Welt ihren Weg machen. Nicht
lange, und auch sie würde ein schmuckes goldenes Halsband
tragen wie dieser ausgestopfte Siegerhund im Badger, vielleicht
sogar zwei. Sie würde ein so luxuriöses Leben führen, dass sie
nie aufhören würde, an ihr altes Herrchen in seiner schäbigen
Unterkunft über dem Hinterhof in St. Giles zurückzudenken.
Wahrscheinlich war es ihr ganz recht, ihn loszuwerden. Sie war
zur Siegerin geboren, und er wünschte ihr alles Gute. Er hoffte
wirklich, dass sie ihn nicht vergaß, den alten Tom, der ihr den
Weg bereitet hatte. Er würde sie nicht vergessen. Niemals würde
er sie vergessen. Er schlang die Arme um sie, so fest, dass sie im
Halbschlaf nach ihm schnappte und sich aus seiner Umarmung
wand. Er rührte sich nicht, bis die flackernde Kerze herunterge-
brannt war und sich die letzte Wärme ihres Körpers aus seinem
Schoß verflüchtigt hatte.
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IX
W ir haben fünfzig Ziegeleien direkt hier in London, und Sie er-
zählen mir, wir müssten unsere Backsteine wo holen?«
»In Strowbridge, Sir. Das liegt in ...«
»Wie oft muss ich Sie in dieser Angelegenheit noch
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