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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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gemuster-
    ten Halsbinde herum. »Ein richtiger Siegerhund, nicht wahr? Ist
    bestimmt ̕nen Batzen Geld wert?«
    Tom antwortete nicht. Stattdessen setzte er Lady auf dem Bo-
    den ab. Er war wackelig auf den Beinen und fühlte sich unend-
    lich müde und zittrig, als er sich aufrichtete. Der Straßenhändler
    versetzte seinem Hund einen weiteren, weniger energischen
    Fußtritt und ging zur Theke hinüber.
    »Sie hat das Zeug dazu, ja«, murmelte Tom, doch der Straßen-
    händler drehte sich nicht um. »Ein richtiger Siegerhund. Wenn
    sie die Chance dazu bekommen würde.«

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    Als Lady die Schnauze in seine Hand schmiegte, zog er sie weg
    und wischte sie ausgiebig an seiner Jacke ab. Die Hündin sah ihn
    erst mît ihren rosa Augen groß an und schlich sich dann, fast auf
    dem Boden kriechend, davon. Am liebsten hätte er ihr einen
    Fußtritt verpasst und

    sie gleichzeitig in die Arme genommen.
    Seine Brust schmerzte.
    Die Eingangstür wurde aufgerissen. Herein stürzten mehrere
    Herren in dicken Wintermänteln und schweren Schals. Sie brach-
    ten einen Schwall eiskalter Luft und den holzig-modrigen Ge-
    ruch nach Whisky mit.
    »Brandy!«, rief einer von ihnen und fuchtelte mit einem Stock
    mit Silberknauf in der Luft herum. »Her mit dem Brandy!«
    »Da müssen wir uns vertan haben«, protestierte ein anderer
    mit vom Alkohol schwerer Zunge. »Hier ist ja gar nichts los. Seht
    doch, da ist nur ein alter Mann.«
    »Da ist ja Tom«, erklang eine Stimme mit vertrautem schlep-
    pendem Tonfall, und de
    r Captain lüftete mit schwungvoller
    Geste den Hut in Richtung Lady. »Guten Abend allerseits.«
    Das Gesicht des Captain glühte, die roten Flecken auf seinen
    Wangen leuchteten wie bei einer Straßenhure. Auch seine Lip-
    pen waren rot und glänzten feucht, und er leckte immer und im-
    mer wieder mit der Zunge darüber. Die Poren auf seiner Haut
    waren deutlich als schwarze Punkte zu erkennen, seine Pupillen
    waren unnatürlich groß, die Iris nur ein schmaler Kreis. Tom
    schnupperte, aber zu seiner Überraschung roch er ihn nicht he-
    raus, den brunftigen Moschusgeruch der Hurerei. Er roch nur
    den Whisky und die alles durchdringende Feuchtigkeit von Ne-
    bel und Schnee, metallisch wie Blut. Tom
    f
    knif die Augen zu-
    sammen.
    »Gilt die Abmachung noch?«, fragte er fordernd.
    Der Captain neigte den Kopf.
    »Einhundert Guineen?« Tom ließ nicht locker.

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    »Hatten wir das ausgemacht?« Die Augen des Captain funkel-
    ten, als er grinste und dabei seine scharfen, gelben Zähne ent-
    blößte. »Dann gilt es selbstverständlich. Einhundert Guineen.«
    Vielleicht hatte Brassey durchs Schlüsselloch gespäht, viel-
    leicht besaß er aber auch den Instinkt einer Kröte beim Aufspü-
    ren von Fliegen. Jedenfalls stand er plötzlich mit gespreizten Bei-
    nen in der Schankstube, die Füße in den feinen Schuhen, noch
    bevor sein Gehilfe Zeit gehabt hatte, eine Flasche auf den Tisch
    zu stellen. Mehrere Hunde seien bereits angetreten, sagte er zu
    den Herren. Dabei wackelte er aufgeregt mit dem Kopf. Aber es
    stünde noch mindestens ein Kampf bevor, wenn die Herren gern
    etwas zur Einstimmung hätten. Andernfalls würde er sofort die
    Arena freimachen für den großen Kampf. Ganz wie die Herren
    wünschten .Er strich sich über den gewölbten Bauch, während er
    im Geist seinen Gewinn überschlug.
    Während sich seine Begleiter auf den Brandy stürzten, winkte
    der Captain Tom zu, Lady auf den Tisch zu stellen, damit er sie
    begutachten konnte. Anders als seine Kumpane, die mit trübem
    Blick und schwerer Zunge nach ihren Gläsern tasteten, wirkte
    der Captain vollkommen nüchtern. Er atmete in kurzen Stößen,
    den Mund zu einem Grinsen verzerrt.
    »Dann bist du also ein richtiger Killer, Mädel?«, murmelte er
    Lady zu. Seine glänzenden roten Lippen zeichneten sich scharf
    unter dem schwarzen Backenbart ab. Er drückte ihr Maul so
    fest, dass sie aufjaulte. »Bist schon aufgeregt? Hast Blut geleckt,
    was?«
    Tom sagte nichts. Er hielt den Blick gesenkt, die Hände in den
    Hosentaschen zur Faust geballt. Als Brassey die Herrschaften
    nach oben führte, folgte er ihnen nicht. Es dauerte noch drei,
    vier Runden, bis Lady an der Reihe war. Sie lag zu seinen Füßen.
    Er berührte sie nicht. Reglos saß er da, die Hände im Schoß, den
    Kopf leer. Wenn er jetzt anfing zu denken, konnte er nicht mehr

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    aufhören. Und so s a
    t rrte er auf die rußigen Schatten an der
    Wand, und wartete.
    Als sie schließlich gerufen

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