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Der Vermesser

Der Vermesser

Titel: Der Vermesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clare Clark
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versetzte ihm einen so hef-
    tigen Fußtritt in die Rippen, dass er sich unter die Sitzbank ver-
    kroch. Tom glaubte zu spüren, dass Lady zusammenzuckte.
    »Wenn ich den Kerl zu fassen krieg, der ihn mir verkauft hat,
    brech ich ihm sämtliche Knochen«, knurrte der Straßenhändler.
    »Hat mir weisgemacht, das war ̕n Rattenkiller durch und durch,
    der in der Minute zwanzig Viecher erledigt. Dieser nutzlose Kö-
    ter!« Er spuckte verächtlich auf den sägemehlbestreuten Boden
    und wischte sich die Hände an der eng anliegenden Kniehose ab.
    »Hätt nicht mal eine abgemurkst, wenn das hässliche kleine
    Biest sich nicht hingelegt und ihm die Kehle wie ̕nen Festtags-
    schmaus hingehalten hätte.«
    Tom schüttelte den Kopf.
    »Bin bloß froh, dass keiner von den wichtigen Leuten das ge-
    sehen hat«, fuhr der Straßenhändler, jetzt schon munterer, fort.
    »Hätt mir ganz schön eingeheizt, der Herr Captain, wo mich
    doch rassey
    B
    bequatscht hat, dem erbärmlichen Zwerg einen or-
    dentlichen Kampfhund abzuluchsen.«
    Tom strich Lady nachdenklich über den Kopf. »Dann ist der
    Captain also nicht oben?«

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    »Nö. Hat heut Abend drüben in Kentish Town was zu erledi-
    gen, heißt es. Ich denk, der rechnet sich aus, dort mehr absahnen
    zu können.« Der Bursche setzte ein breites Grinsen auf und ent-
    blößte statt einer Reihe Schneidezähne eine
    tliche
    stat
    Zahnlü-
    cke. »Brassey zieht ̕ne Fresse wie Sauerbier.«
    Dann würde er also nicht kommen. Toms Hand strich mecha-
    nisch über Ladys Kopf; die Adern traten auf seinem Handrücken
    hervor wie Schnüre, die sich um die Knöchel wanden und die
    Finger mit dem Handteller verbanden. Er betrachtete seine auf-
    und abwärts fahrende Hand und hatte das Gefühl, sie gehörte
    einem Fremden.
    Der Captain kommt nicht.
    Er konnte es nicht fassen. Fast einen Monat lang hatte er die-
    sem Augenblick mit banger Hoffnung entgegengefiebert, hatte
    die Tage mit einem flauen Gefühl in der Magengrube an den Fin-
    gern abgezählt, aber mit der festen Gewissheit, dass dieser Tag
    sein ganzes Leben verändern würde. Die letzten Wochen hatte er
    kaum mehr Angst gehabt, dass ihn der Captain betrügen würde.
    Zu viel war inzwischen geschehen. Tom wusste einfach zu viel.
    Als er dem Captain das Notizbuch ausgehändigt und ihm gesagt
    hatte, der Tote habe keine Schriftstücke bei sich getragen, spürte
    Tom, dass er ihm nicht glaubte. Aber was hätte der Captain schon
    tun können, nachdem Tom darauf beharrte? Und von dem
    Augenblick an hatte Tom sich in Sicherheit gewiegt. Doch jetzt,
    plötzlich und ohne Vorwarnung, war alles aus und vorbei. Es
    würde ein ganz gewöhnlicher Abend sein. Nicht schlimmer als
    sonst und besser als manch anderer. Ein Abend, den man eine
    Woche lang nicht vergessen würde. Trotz der Wette, trotz allem,
    was zwischen ihnen geschehen war, blieb der Captain einfach
    weg. Es würde keinen Kampf geben. Und keine hundert Guineen.
    Das Gefühl der Verzagtheit lief ihm wie ein Rinnsal aus Schweiß
    den Rücken hinunter. Keine hundert Guineen. Obwohl noch gar

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    nicht gewonnen, hatte dieses Geld seit Wochen sein Denken be-
    herrscht – goldener Weizen, der aus einem Sack hervorquoll.
    Und jetzt würde der Captain nicht kommen. Unwillkürlich über-
    kam Tom ein fröstelnder Schauder. Der Captain hatte ihn ausge-
    trickst, hatte ihn wie einen alten Putzlumpen behandelt. Nun
    stand er mit heruntergelassenen Hosen da, und die Ohren klin-
    gelten ihm von hundert leeren Versprechungen. Wut und Enttäu-
    schung hinterließen einen bitteren Geschmack in seinem Mund,
    und seine Hände verkrampften sich so sehr, dass Lady sich schüt-
    telte, um sich seinem Griff zu entwinden. Der Captain hatte
    einen wie Tom gebraucht, um seine Begleiter zu belustigen und
    die Untaten seines Freundes zu vertuschen. Und er, der mit allen
    Wassern gewaschene Langarmige Tom, der sich für einen aufge-
    weckten Burschen hielt und sich einbildete, niemand in der gan-
    zen großen Stadt könne ihn austricksen – dieser Langarmige
    Tom war wie ein Fisch geködert worden, und während man ihn
    an der Leine einholte, hatte er nicht einmal gezappelt, um sich zu
    wehren. Ein Narr war er gewesen, ein blinder, gieriger alter Narr,
    und wenn er sich heute Nacht
    f
    au seiner Pritsche schlafen legte,
    würde er haben, was er verdiente. Nichts. Nichts außer Lady.
    »Hübsches Halsband, was dein Hund da hat«, sagte der Stra-
    ßenhändler bewundernd und fingerte an seiner bunt

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