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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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eine volle Stunde warteten, ob Wrexham wieder herauskam, gingen sie auf und ab, um kein Aufsehen zu erregen. Neidvoll stellte Pitt sich vor, wie Wrexham drinnen ausführlich frühstückte, sich wusch, rasierte und umzog. Als er Gower diese Vermutung mitteilte, verdrehte jener die Augen und sagte: »Manchmal ist es wirklich angenehmer, der Schurke zu sein. Auch ich könnte ein ordentliches Frühstück mit Schinkenspeck, Eiern, Würstchen, Bratkartoffeln, frischem Toast mit Orangenmarmelade und eine ordentliche Kanne Tee vertragen.« Mit einem freudlosen Grinsen fügte er hinzu: »Entschuldigung, aber ich leide nicht gern allein.«
    »Das tun Sie auch nicht!«, gab Pitt nicht ohne Mitgefühl zurück. » Wir werden uns auf jeden Fall erst einmal stärken, bevor wir Narraway ein Telegramm schicken und dann feststellen, wer im Haus Nummer sieben wohnt.« Er ließ den Blick an der Wand hochwandern. »Rue Saint Martin.«
    »Bestimmt gibt es hier nur heißen Kaffee und frisches Brot«, teilte ihm Gower mit. »Falls wir Glück haben, auch noch Aprikosenkonfitüre.
Auf Orangenmarmelade versteht sich außer den Briten niemand.«
    »Sie meinen, wir brauchen nicht einmal mit durchwachsenem Speck mit Spiegelei zu hoffen?«, erkundigte sich Pitt ungläubig.
    »Vielleicht gibt es ein Omelette.«
    »Das ist nicht dasselbe!«, sagte Pitt. Man hörte ihm die Enttäuschung an.
    »Hier ist nichts wie bei uns«, gab ihm Gower Recht. »Ich glaube, die machen das mit Absicht.«
    Nachdem sie weitere zehn Minuten gewartet hatten, ohne dass Wrexham aufgetaucht wäre, gingen sie den Weg zurück, den sie gekommen waren. Aus einer Bar drang der verlockende Geruch nach Kaffee und frischem Brot.
    Gower sah fragend zu Pitt hin.
    »Unbedingt«, stimmte dieser zu.
    Wie von Gower vorausgesagt, gab es hausgemachte Aprikosenkonfitüre. Außerdem ungesalzene Butter, kalten Schinken und anderen Aufschnitt sowie hartgekochte Eier. Als sie sich nach ihrem Frühstück erhoben, war Pitt mehr als zufrieden. Gower hatte sich beim patron nach dem Weg zum Postamt erkundigt und gleichzeitig wie nebenbei einfließen lassen, dass sie nach einer Unterkunft suchten und wissen wollten, ob sich so etwas im Haus Nummer sieben in der Rue Saint Martin finden lasse – jemand habe ihnen das gesagt.
    Pitt wartete. Der gutgelaunte Ausdruck, mit dem Gower die Bar verließ und neben ihm einherschritt, zeigte ihm, dass die Auskunft zu dessen Zufriedenheit ausgefallen war.
    »Das Haus gehört einem unserer Landsleute namens Frobisher«, sagte er mit einem Lächeln. »Der patron hält ihn für einen etwas seltsamen Vogel. Er sagte, der Mann schwimmt in Geld und ist exzentrisch. Wahrscheinlich stellen sich die Leute hier einen Engländer der Oberschicht so vor wie den. Er
wohnt schon seit mehreren Jahren hier und behauptet, er wolle nie wieder nach England zurück. Es genügt, ihn anzutippen, damit er erklärt, was in Europa und ganz besonders in England im Argen liegt.« Mit einem Achselzucken fügte er geringschätzig hinzu: »Obwohl das bewusste Haus ganz offensichtlich keine Pension oder dergleichen ist, sind fast immer Logiergäste dort, und der patron erklärt, dass die in keiner Weise sein Fall sind. Er sagt, es seien subversive Elemente. Allerdings nehme ich an, dass er ziemlich konservative Vorstellungen hat. Seiner Ansicht nach würde uns Madame Germaines Etablissement mehr zusagen, und er hat mir gleich die Adresse gegeben.« Gower schien außerordentlich zufrieden mit sich zu sein. Pitt, der sich dieser Einschätzung nur anschließen konnte, lobte ihn: »Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet.«
    »Danke, Sir.« Gower ging mit federndem Schritt und begann sogar recht melodiös ein Liedchen zu pfeifen.
    »Jetzt aber telegrafieren wir erst einmal nach London und versuchen dann festzustellen, ob diese Madame Germaine etwas für uns hat«, fuhr Pitt fort.
    Am Postamt setzte er ein Telegramm an Narraway auf. »Sind in Saint Malo. Bekannte, über die wir gern mehr erfahren würden. Brauchen Geld. Bitte schnellstens ans hiesige Postamt schicken. Melden uns wieder.«
    Bis die Antwort kam, empfahl es sich, sparsam mit dem wenigen Geld umzugehen, das sie hatten. Auf jeden Fall würden sie Madame Germaines Haus aufsuchen, in der Hoffnung, dass sie ein freies Zimmer für sie hatte.
    »Das kann eine ganze Weile dauern«, sagte Gower nachdenklich. »Hoffentlich erwartet Mister Narraway nicht, dass wir unter einer Hecke schlafen. Im August würde mich das nicht weiter stören, aber

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