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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Tag erwartete. Dazu gehörte, dass er Croxdale aufsuchen und ihm die Wahrheit über Gower sowie darüber mitteilen musste, dass der Sicherheitsdienst von Verrat durchseucht war, ohne dass er ihm hätte sagen können, wer dahintersteckte.
     
    Der nächste Tag im Büro brachte das Übliche, unter anderem Berichte aus Paris, die kaum beunruhigend klangen. Zwar hatte man eine gewisse Zunahme der Aktivität von Personen bemerkt, die der Sicherheitsdienst überwachte, ohne aber für den Fall, dass das etwas bedeutete, feststellen zu können, worum es dabei gehen mochte. Pitt tat mehr oder weniger das Gleiche, was er getan hätte, wenn Narraway da gewesen wäre und er seiner eigenen Arbeit nachgegangen wäre. Der Unterschied lag darin, dass er jetzt die Last der Verantwortung auf seinen Schultern spürte und selbst Entscheidungen treffen musste, statt sie nach oben weitergeben zu können. Jetzt kamen alle zu ihm, wenn es galt, Beschlüsse zu fassen. Männer, die zuvor mit ihm auf einer Stufe gestanden hatten, mussten ihm jetzt Bericht erstatten. Sie kamen nicht immer, um Rat zu suchen; oft brachten sie nur Einzelinformationen über Untergrundaktivitäten, aus denen er sich selbst ein Bild über möglichen Verrat und zu verhindernde Gewalttätigkeit machen musste. Es war seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass er Mittel fand, die geeignet waren, die Sicherheit des Reiches und der Regierung zu gewährleisten sowie den Frieden und Wohlstand Großbritanniens zu wahren.
    Schließlich gelang es ihm am Vormittag des folgenden Tages, mit Sir Gerald Croxdale einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Zwar war er mit seiner Bemühung, das wahre Ausmaß des Verrats zu erkunden, noch keinen Schritt weitergekommen, konnte es aber auf keinen Fall länger hinausschieben, Croxdale von Gowers Tod und dessen näheren Umständen in
Kenntnis zu setzen. Soweit er wusste, war von der Polizei bisher noch kein Bericht darüber eingegangen, doch würde dieser wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen.
    Am späten Nachmittag traf er, vom Hyde Park kommend, in Whitehall ein. Die Sonne wärmte noch, und die Luft war weich. Auf seinem Weg zu Croxdales Ministerium fuhren offene Kutschen mit Familienwappen auf dem Schlag an ihm vorüber. Die blank geputzten Messingbeschläge der Pferdegeschirre blitzten in der Sonne. In den Kutschen sah er Damen in Musselinkleidern, deren Ärmel im leichten Wind flatterten. Sie trugen breitrandige Hüte, die sie vor den Sonnenstrahlen schützen sollten.
    Croxdales Lakai ließ ihn sogleich ein – offensichtlich hatte er genaue Instruktionen bekommen. Im Arbeitszimmer des Ministers musste Pitt nur ganz kurz warten.
    Als Croxdale eintrat, schüttelte er Pitt die Hand. »Setzen Sie sich. Wie sieht es in Lisson Grove aus?«
    Obwohl er Wärme in seine Stimme legte und beinahe zwanglos mit ihm sprach, merkte Pitt, dass er ihn aufmerksam musterte. Fast war es, als sei ihm bereits bewusst, dass ihm Pitt eine unangenehme Mitteilung zu machen hatte.
    Pitt war dankbar für die Frage; sie ersparte es ihm, selbst eine passende Einleitung finden zu müssen.
    »Ich hatte gehofft, Ihnen mehr sagen zu können, Sir«, begann er. »Aber die ganze Geschichte, in deren Verlauf West ermordet wurde und wir Wrexham nach Frankreich gefolgt sind, hat sich als weit ernsthafter erwiesen, als ich ursprünglich angenommen hatte.«
    Croxdale runzelte die Brauen und richtete sich ein wenig auf. »In welcher Hinsicht? Haben Sie erfahren, was West Ihnen mitteilen wollte?«
    »Nein, Sir, das nicht. Aber ich habe eine bestimmte Vorstellung davon, worum es dabei ging, und alles, was ich seit meiner
Rückkehr festgestellt habe, stützt diese Vermutung. Leider liefert das aber keine Lösung.«
    »Hören Sie auf, um den heißen Brei herumzureden, Mann«, knurrte Croxdale ungeduldig. »Sagen Sie offen, was los ist.«
    Pitt holte tief Luft. Er musste das Risiko eingehen. »Es gibt mindestens einen Verräter in Lisson Grove …«
    Croxdale erstarrte, sein Blick wurde hart. Mit einem Mal lag seine Rechte so starr auf dem Schreibtisch, als zwinge er sich mit aller Kraft, sie nicht zur Faust zu ballen.
    »Ich vermute, dass Sie damit nicht Victor Narraway meinen«, sagte er gefasst.
    Pitt traf eine weitere Entscheidung. »Ihn habe ich zu keinem Zeitpunkt für einen Verräter gehalten und tue das auch jetzt nicht, Sir. Ob er Opfer einer Fehleinschätzung geworden ist oder sich eine Nachlässigkeit hat zuschulden kommen lassen, weiß ich noch nicht. Aber so etwas

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