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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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erfüllte ihn mit einer inneren Wärme, von der ihm sogleich aufging, dass sie lächerlich war. Er führte sich auf wie ein Zwanzigjähriger.
    »Jedenfalls bis jetzt«, stimmte er zu. »Aber wenn wir in Holyhead in den Zug steigen, wäre es besser für Sie, in einen anderen Waggon einzusteigen als ich. Auch wenn ich bezweifle, dass jemand nach mir Ausschau hält, aber unmöglich ist das nicht.«
    »Wer denn?«, fragte sie, als verwerfe sie den Gedanken. »Niemand könnte vor uns dort ankommen.« Noch bevor er antworten konnte, fuhr sie fort: »Und sagen Sie mir nicht, dass die Leute Ihre Flucht vorausgesehen haben. In dem Fall hätten sie Mittel und Wege gefunden, sie zu verhindern. Sehen Sie den Tatsachen ins Gesicht: Man wollte Sie da an den Galgen bringen, denn das wäre die vollkommene Rache für Seans Hinrichtung gewesen.«
    Er zuckte zusammen. »Sie nehmen wirklich kein Blatt vor den Mund.«
    »Fällt Ihnen das erst jetzt auf?«, fragte sie mit einem feinen Lächeln.
    »Natürlich nicht. Aber diese Äußerung war sogar für Sie bemerkenswert.«
    »Es ist ja auch eine bemerkenswerte Situation«, sagte sie. »Jedenfalls für mich. Finden Sie es aufdringlich, wenn ich Sie frage, ob Sie so etwas oft machen?«
    »Charlotte!« Er fuhr sich mit der Hand durch das dichte Haar und wandte sich ab, um ihr seine Rührung nicht zu zeigen. Ihm war klar, dass es sie in Verlegenheit bringen
würde, wenn sie merkte, wie tief seine Empfindungen für sie reichten.
    »Tut mir leid«, sagte sie rasch.
    Verdammt, fluchte er innerlich. Er war nicht schnell genug gewesen.
    »Ich weiß, dass die Sache ernst ist«, fuhr sie fort, womit sie offensichtlich etwas gänzlich anderes meinte.
    Erleichterung überkam ihn und unsinnigerweise zugleich Enttäuschung. Wollte wirklich ein Teil seines Wesens, dass sie es erfuhr? Dann musste er es unbedingt unterdrücken, denn es würde zu einer schwierigen Situation zwischen ihnen führen, die keiner von beiden je würde vergessen können.
    »Ja«, stimmte er zu.
    »Werden Sie Ihr Büro in Lisson Grove aufsuchen?« Jetzt klang ihre Stimme besorgt.
    »Nein. Es ist mir lieber, wenn die da nicht wissen, dass ich wieder in England bin, und erst recht nicht, wo.«
    Er erkannte die Erleichterung auf ihrem Gesicht. »Es gibt nur einen Menschen, dem ich in jeder Hinsicht zu vertrauen wage, und das ist Vespasia Cumming-Gould. Ich werde eine oder zwei Stationen vor London aussteigen, um sie anzurufen. Wenn ich Glück habe, bekomme ich sie gleich an den Apparat. Andernfalls werde ich mich irgendwo einmieten und warten, bis ich mich mit ihr in Verbindung setzen kann.«
    Seine Stimme wurde leise und eindringlich. »Und Sie sollten nach Hause gehen. Für Sie besteht keine Gefahr. Falls es Ihnen aber lieber ist, könnten Sie zu Vespasia gehen. Vielleicht ist es sogar besser, Sie hören sich erst einmal ihre Meinung an.« Während er das sagte, fiel ihm ein, dass er nicht das Geringste über Pitt wusste, nicht einmal, ob er in Sicherheit war. Möglicherweise war es grausam, Charlotte zurück in ein Haus zu schicken, in dem sich niemand außer einem ihr noch
unvertrauten Hausmädchen befand. Er wusste, dass sowohl ihre Schwester Emily als auch ihre Mutter verreist waren. Großer Gott, was für ein Durcheinander. Für den Fall, dass Pitt etwas zugestoßen war, hätte sie niemanden, der sie trösten könnte. Dieser Gedanke war ihm unerträglich. Hoffentlich hielten die Drahtzieher hinter dieser ganzen Geschichte Pitt nicht für so gefährlich, dass sie ihm etwas angetan hatten. »Wir steigen beide ein paar Stationen vor London aus«, sagte er, »und rufen Lady Vespasia an.«
    »Ein guter Gedanke«, sagte Charlotte und drehte sich wieder um, weil sie den Möwen zusehen wollte, die über dem schäumenden Kielwasser des Schiffs kreisten. So standen sie beide schweigend nebeneinander, in die Betrachtung der endlosen rhythmischen Bewegung des Wassers und der weißen Schwingen der Vögel versunken.
     
    Es war längst dunkel, als Narraway Vespasia endlich erreichte. Erst als er ihre Stimme hörte, die ein wenig verzerrt durch die Leitung kam, merkte er, wie groß seine Erleichterung war, mit ihr sprechen zu können.
    »Victor! Wo um Himmels willen steckst du?«, wollte sie wissen, um sogleich hinzuzufügen: »Nein, sag es lieber nicht. Bist du in Sicherheit? Und Charlotte auch?«
    »Ja, wir sind beide in Sicherheit«, antwortete er. Sie war seit seiner Kindheit die einzige Frau in seinem Leben, der gegenüber er sich je zur

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