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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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im Jahre 1605?«, fragte sie. »So etwas würde das ganze Land empören. Damals hat man Guy Fawkes samt seinen katholischen Mittätern gehängt und gevierteilt, weil sie das Parlament in die Luft jagen wollten. Heutzutage dürfte die Strafe wohl nicht ganz so barbarisch ausfallen, auch wenn ich ehrlich gesagt nicht darauf wetten würde.« Ihr Gesicht lag einen Augenblick im Schatten, als eine höhere und längere Kutsche zwischen ihnen und den Straßenlaternen vorüberfuhr.

    Nach einer knappen Stunde erreichten sie müde, durchgefroren und voll innerer Anspannung das Gasthaus, das Narraway und Charlotte inzwischen aufgesucht hatten. Sie alle begrüßten einander so kurz wie herzlich, dann ließen sie sich vom Wirt die Zimmer zeigen, die sie für die Nacht beziehen wollten. Anschließend suchten sie einen kleinen Nebenraum auf, in dem man ihnen Erfrischungen servieren und sie im Übrigen ungestört lassen würde.
    Tiefe Rührung erfasste Pitt bei Charlottes Anblick. Er freute sich, ihr Gesicht zu sehen, und war zugleich besorgt, weil sie so abgespannt wirkte. Er war erleichtert, sie in Sicherheit zu wissen, denn ihm war klar, in welcher Gefahr sie sich befunden hatte. Zugleich aber betrübte es ihn zutiefst, dass er nicht mit ihr allein sein konnte, und sei es nur für eine kurze Weile. Außerdem merkte er, dass er sich ärgerte, weil sie sich seiner Ansicht nach unbedacht in Gefahr begeben hatte. Er fühlte sich schmerzlich ausgeschlossen, hatte sie ihn doch zuvor weder nach seiner Meinung noch nach seinen Gefühlen befragt – allerdings, das musste er sich eingestehen, hatte es dazu auch keine Gelegenheit gegeben. Narraway war bei ihr gewesen, und er nicht. Ihm war klar, dass seine Empfindungen kindisch waren, doch obwohl er sich deswegen schämte, änderte das an ihrer Intensität nicht das Geringste.
    Dann sah er zu Narraway hin, der sich mit seinen schmalen, starken Händen das schwarze Haar ungeduldig nach hinten strich, als sei es ihm im Weg, und unwillkürlich nahm sein Ärger ab. Die Linien im Gesicht seines Vorgesetzten schienen deutlich tiefer eingeschnitten als zuvor, und seine Augen waren gerötet.
    Die beiden Männer sahen einander an, unsicher, wer in der Situation das Kommando hatte. Narraway hatte viele Jahre an der Spitze des Sicherheitsdienstes gestanden, doch jetzt hatte
Pitt diese Position inne – und keiner der beiden wollte Lady Vespasia ihre Vorrechte streitig machen.
    Sie lächelte. »Sitz doch nicht wie ein Schuljunge da, Thomas, der darauf wartet, dass man ihm erlaubt zu sprechen. Du bist jetzt der Leiter des Sicherheitsdienstes. Wie schätzt du die Lage ein? Wir werden unsere Ansichten beitragen, sofern wir etwas wissen.«
    Pitt räusperte sich. Er kam sich vor, als mache er Narraway sein Amt streitig, doch zugleich merkte er, dass der Mann mitgenommen war. Das konnte niemanden wundern, denn schließlich war er auf eine Weise ausgebootet worden, die er nicht hatte voraussehen können, war eines Verbrechens bezichtigt worden, ohne dass er eine Gelegenheit gehabt hätte, seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Seine Lage war alles andere als beneidenswert, und es gehörte sich, ihn mit Nachsicht und Freundlichkeit zu behandeln.
    Pitt legte in Einzelheiten dar, was in der Zeit zwischen der Ermordung Wests und dem Augenblick geschehen war, da er sich gemeinsam mit Stoker bemühte hatte, möglichst viele Puzzleteile zusammenzusetzen. Ihm war bewusst, dass er in Lady Vespasias und Charlottes Gegenwart wichtige Staatsgeheimnisse ansprach, was er bisher nie getan hatte. Doch der Ernst der Lage ließ nicht zu, dass man die beiden Frauen ausschloss. Wenn es nicht gelang, den geplanten Anschlag zu verhindern, würde ohnehin alles der Öffentlichkeit in kürzester Zeit bekannt werden. Wie bald das sein würde, konnte man nur raten.
    Als er geendet hatte, sah er zu Narraway hin.
    »Das lohnendste und auch naheliegendste Ziel für einen solchen Angriff dürfte das Oberhaus sein«, sagte dieser bedächtig. »Das wäre ein ungeheuer tiefer Eingriff in unsere Lebensumstände. Gott allein weiß, wie es dann weitergehen würde. Der französische Thron ist bereits gestürzt, der von Österreich-Ungarn
wankt, vor allem nach der elenden Geschichte in Mayerling.« Er sah zu Charlotte hin, und als er den Ausdruck von Verwirrung auf ihrem Gesicht erkannte, fügte er hinzu: »Das war vor sechs Jahren. Kronprinz Rudolf hat 1889 sich und seine Geliebte, die Baronesse Mary Vetsera, in seinem dortigen Jagdschloss

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