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Der Verräter von Westminster

Der Verräter von Westminster

Titel: Der Verräter von Westminster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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der geschwungenen Treppe und einer am Eingang zum Küchen- und Dienstbotentrakt.
    »Das hätten Sie nicht tun sollen«, warf der Haushofmeister dem anderen vor.
    » Wenn wir die weggeschickt hätt’n«, hielt dieser dagegen, »wär den’n klar geword’n, dass hier was faul is’. Am best’n redet niemand darüber. Wir woll’n die alte Dame ja nich’ aufreg’ n.«
    »Damit haben Sie Recht«, stimmte ihm Lady Vespasia in scharfem Ton zu. »Falls Ihre Majestät einen Schlaganfall bekommt und stirbt, werden Sie nicht einfachen Mordes, sondern des Königsmordes schuldig sein. Können Sie sich vorstellen, wo auf der Welt Sie eine Möglichkeit hätten, sich vor dieser Anklage zu verstecken? Ohnehin würden Sie nicht entkommen. So sehr sich unsere Vorstellungen von Freiheit oder der Gleichheit, die wir anstreben oder für die wir sogar kämpfen, unterscheiden mögen, wird sich niemand mit dem Mord an einer Königin abfinden, die schon länger regiert, als die Lebensdauer der meisten ihrer Untertanen auf der ganzen Welt beträgt. In einem solchen Fall würde die Öffentlichkeit Sie in Stücke reißen wollen – doch ich nehme an, das würde Ihnen weniger ausmachen, als dass Sie damit all Ihre großartigen Ideen in Verruf bringen.«
    »Halt’n Se ’n Mund, sonst stopf ’ ich ’n Ihn’n. Kann ja sein, dass de Leute für ihre Königin was übrig ham, aber ob so jemand wie Sie hinterher noch lebt oder nich’, is’ den’n garantiert egal«, sagte der Mann in aggressivem Ton. »Se ham sich hier reingedrängt, da dürf ’n Se sich nich’ wundern, wenn Se das Kopf un’ Krag’n kostet.«

    »Die Dame ist …«, setzte der Haushofmeister an, doch fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass er den Leuten, die das Anwesen besetzt hielten, damit noch eine Geisel gleichsam frei Haus liefern würde, und so schluckte er seine Erwiderung herunter.
    »Ist jemand krank?«, fragte Vespasia in die Runde.
    »Nein«, gab der Haushofmeister zu. »Man hat uns angewiesen, das zu sagen.«
    »Gut. Dann führen Sie uns bitte zu Ihrer Majestät. Sofern Sie die Königin mit der gleichen ausgesuchten Höflichkeit behandeln wie uns, könnte es ganz nützlich sein, wenn sich Dr. Narraway in ihrer Nähe aufhält. Sicher wollen Sie nicht, dass ihr etwas zustößt. Als Geisel nützt sie Ihnen vermutlich nur, solange sie lebt und bei guter Gesundheit ist.«
    » Wer sagt mir, ob das wirklich ’n Arzt is’?«, fragte der Mann misstrauisch und sah Narraway an.
    »Niemand«, gab dieser zurück. »Aber was haben Sie denn zu verlieren? Glauben Sie etwa, dass ich ihr etwas antun würde?«
    »Was?«
    »Glauben Sie etwa, dass ich ihr etwas antun würde?«, wiederholte Narraway geduldig.
    »Dumme Frage, ’türlich nich’.«
    »Sofern Sie überzeugt sind, dass ich nicht die Absicht habe, der Königin etwas anzutun, würde es für Sie doch weit weniger Aufwand bedeuten, uns alle im selben Raum zu versammeln, als uns getrennt voneinander bewachen zu müssen. Das Gebäude ist ja doch recht unübersichtlich. Zumindest wird sie Ihnen dann keinen Ärger bereiten. Liegt das nicht in Ihrem Interesse?«
    » Was ham Se da in der Tasche? Da könnt’n Messer un’ sogar Gas drin sein.«
    »Ich bin Allgemeinarzt, kein Chirurg«, gab Narraway scharf zurück.

    »Un’ wer is’ die da?«, fragte der Mann mit einem Blick auf Charlotte.
    »Meine Mitarbeiterin. Glauben Sie etwa, dass ich weibliche Patienten behandeln würde, ohne dass eine Krankenschwester in der Nähe ist?«
    Der Mann nahm Narraways Tasche, öffnete sie und musterte die in der Apotheke von Southampton gekauften Pulver und Tinkturen in ihren sauber beschrifteten Gefäßen. Ganz bewusst hatten sie, um keine Schwierigkeiten zu bekommen, nichts erworben, was auch nur von fern einer Waffe ähnlich sehen könnte, nicht einmal eine kleine Schere zum Durchschneiden von Mullbinden. Alles war genau das, was es zu sein schien.
    Der Mann schloss die Tasche und wandte sich dem anderen am Fuß der Treppe zu. »Bring se rauf. Die alte Dame soll uns ja nich’ unter ’n Händ’n wegsterb’n.«
    »Jed’nfalls nich’ gleich«, stimmte der andere zu. Er wies mit der Hand auf die Treppe. » Also vorwärts. Ihr wollt zur Königin – heute is’ euer Glückstag.«
    Der Haushofmeister führte die drei Besucher nach oben und klopfte an eine Tür. Nach einer Weile öffnete er sie und ging hinein. Bald darauf kam er wieder heraus und sagte: »Ihre Majestät ist bereit, Sie zu empfangen, Lady Vespasia.«
    Sie dankte ihm

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