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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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die Kanzlei nicht unterstützt, als am 4. Februar ein Lagerhaus voller Obdachloser geräumt wurde?«
    Er biss auf die Zähne, kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Jemand von Drake & Sweeney hatte bereits mit Mr. Mackle gesprochen. Oder wahrscheinlicher: Die Kanzlei hatte seinen Arbeitgeber unter Druck gesetzt.
    Jedenfalls war Mackle nicht sehr gesprächig. Die Kartenabreißerin beschäftigte sich mit ihren Fingernägeln. Ich war ausgeschlossen.
    »Früher oder später werden Sie diese Fragen beantworten müssen«, sagte ich.
    Seine Backenmuskeln zuckten, doch er sagte nichts. Ich hatte nicht die Absicht, den Druck zu verstärken. Er war ein rauher Bursche, einer von denen, die imstande sind, urplötzlich loszudreschen und kleine Rechtsanwälte niederzuschlagen. Ich hatte in den vergangenen zwei Wochen genug eingesteckt.
    Ich sah mir noch zehn Minuten der zweiten Halbzeit an und ging dann nach Hause, denn ich hatte krampfartige Rückenschmerzen - Nachwirkungen des Autounfalls.
    Das Motel war ebenfalls neu und lag am nördlichen Rand von Bethesda. Es kostete, wie das andere, vierzig Dollar pro Nacht, und nach drei Nächten konnte ich mir diese Therapie für Ruby nicht mehr leisten. Megan war der Meinung, dass es für sie an der Zeit sei, in ihre gewohnte Umgebung zurückzukehren. Wenn sie wirklich clean bleiben wollte, musste sie sich dem Test der Straße stellen.
    Am Dienstag morgen um halb acht klopfte ich an ihre Tür im ersten Stock. Zimmer 220, hatte Megan gesagt. Es rührte sich nichts. Ich klopfte noch einmal und versuchte, die Tür zu öffnen. Sie war verschlossen. Ich rannte zur Rezeption, um von dort aus anzurufen. Es meldete sich niemand. Es war auch niemand abgereist. Man hatte nichts Ungewöhnliches bemerkt.
    Eine Direktions-Assistentin wurde herbeigeholt, und es gelang mir, sie davon zu überzeugen, dass hier ein Notfall vorlag. Sie rief einen Wachmann, und gemeinsam gingen wir zu Rubys Zimmer. Unterwegs erklärte ich, warum Ruby hier war und warum das Zimmer nicht auf ihren Namen gemietet war. Der Direktions-Assistentin gefiel die Vorstellung, dass ihr schönes Motel als Entzugsklinik missbraucht wurde, gar nicht.
    Das Zimmer war leer. Das Bett war tadellos gemacht; es sah unbenutzt aus. Alles war an seinem Platz, doch von ihren eigenen Sachen hatte Ruby nichts zurückgelassen.
    Ich dankte den beiden und ging. Das Motel lag mindestens zehn Meilen von unserem Büro entfernt. Ich rief Megan an und kämpfte mich dann zusammen mit einer Million Pendler in die Innenstadt. Um Viertel nach acht, als ich mitten im Stau stand, rief ich Sonia an, um sie zu fragen, ob sie Ruby gesehen habe. Sie hatte sie nicht gesehen.
    Die Klageschrift war kurz und bündig: Wilma Phelan, Treuhänderin für den Nachlass von Lontae Burton und ihren Kindern, verklagte RiverOaks, Drake & Sweeney und TAG, Inc. wegen gemeinschaftlicher Zwangsräumung im Wege der Selbsthilfe. Die Logik war simpel, der kausale Zusammenhang offensichtlich.
    Wären unsere Mandanten nicht aus ihrer Wohnung geworfen worden, dann hätten sie nicht in einem Wagen leben müssen. Und wären sie nicht gezwungen gewesen, in einem Wagen zu übernachten, dann hätten sie nicht sterben müssen. Es war eine hübsche Haftungstheorie, die um so attraktiver wirkte, als sie so einleuchtend war. Jede Jury in diesem Land konnte sie nachvollziehen.
    Die Fahrlässigkeit und/oder die vorsätzlichen Handlungen der Beklagten hatten zum absehbaren Tod unserer Mandanten geführt. Wer auf der Straße leben musste, dem widerfuhren schlimme Dinge, besonders wenn es sich um eine alleinerziehende Mutter mit kleinen Kindern handelte. Wenn man sie gesetzwidrig auf die Straße setzte, und es stieß ihnen etwas zu, musste man die Konsequenzen tragen.
    Wir hatten für kurze Zeit auch eine separate Klage in Misters Namen erwogen.
    Auch er war gesetzwidrig hinausgeworfen worden, doch seinen Tod konnte man wohl kaum als absehbar bezeichnen. Wenn jemand Geiseln nahm und dabei erschossen wurde, konnte man das vernünftigerweise nicht darauf zurückführen, dass ihm ein zivilrechtlich relevantes Unrecht zugefügt worden war. Außerdem würde er bei den Geschworenen nicht sehr gut ankommen. Also beerdigten wir Mister endgültig.
    Drake & Sweeney würden sofort beantragen, dass ich ihnen die Akte aushändigte.
    Der Richter konnte mich dazu zwingen, und das wäre dann ein Eingeständnis meiner Schuld. Es konnte mich außerdem meine Zulassung als Rechtsanwalt kosten. Ferner konnten alle

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