Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
entschieden, und irgendwelche Einwände würden nichts ändern. Ich musste einen ebenso kaltblütigen Eindruck wie sie machen. »Gut«, sagte ich so nonchalant wie möglich. Dass wir endlich ehrlich waren, hatte etwas Erleichterndes. Mich störte nur, dass sie mehr als ich auf eine Scheidung drängte.
    Um die Initiative nicht aus der Hand zu geben, erwähnte sie die Zusammenkunft mit ihrer Anwältin, Jacqueline Hume, deren Namen sie wie eine Mörsergranate auf mich abfeuerte, und gab dann die abgedroschenen Ansichten zum Besten, die ihre neue Vertreterin geäußert hatte.
    »Warum hast du dir eine Anwältin genommen?« unterbrach ich sie.
    »Ich wollte sicher sein, dass ich nicht übervorteilt werde.«
    »Glaubst du denn, dass ich dich übervorteilen würde?«
    »Du bist Anwalt. Also brauche ich ebenfalls einen Anwalt. So einfach ist das.«
    »Du hättest dir einen Haufen Geld sparen können«, sagte ich und versuchte, streitlustig zu wirken. Immerhin ging es hier um eine Scheidung.
    »Trotzdem fühle ich mich jetzt viel wohler.«
    Sie reichte mir Beweisdokument A, eine Aufstellung unserer Aktiva und Passiva.
    Beweisdokument B war ein schriftlicher Vorschlag, wie diese geteilt werden sollten. Es überraschte mich keineswegs, dass sie den größeren Teil haben wollte. Wir hatten zwölftausend Dollar auf dem Girokonto, und davon wollte sie die Hälfte, um den Bankkredit für ihren Wagen zu tilgen. Ich sollte zweitausendfünfhundert vom Rest bekommen. Die sechzehntausend, die ich noch für meinen Lexus abbezahlen musste, waren ihr keine Erwähnung wert. Von den einundfünfzigtausend, die wir in Investmentfonds angelegt hatten, wollte sie vierzigtausend. Dafür durfte ich meinen Rentenanspruch behalten.
    »Das ist nicht gerade eine gerechte Teilung«, sagte ich.
    »Das soll sie auch gar nicht sein«, sagte sie mit dem Selbstvertrauen eines Menschen, der sich gerade einen Pit Bull gemietet hat.
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich nicht derjenige bin, der eine Midlifecrisis hat.«
    »Dann ist es also meine Schuld?«
    »Wir reden nicht von Schuld. Wir teilen die Vermögenswerte. Aus Gründen, die nur du verstehst, hast du dich entschlossen, neunzigtausend Dollar weniger zu verdienen. Warum sollte ich die Konsequenzen dafür tragen? Meine Anwältin ist zuversichtlich, dass sie den Richter wird überzeugen können, dass deine Handlungsweise uns in den finanziellen Ruin treibt. Wenn du ausflippen willst, bitte. Aber erwarte nicht, dass ich hungere.«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    »Ich will mich nicht mit dir streiten.«
    »Das würde ich auch nicht wollen, wenn ich alles bekäme.« Ich fühlte mich verpflichtet, sie ein bißchen zu ärgern. Wir waren nicht imstande, zu schreien oder mit Gegenständen zu werfen. Wir würden ganz sicher nicht weinen. Affären oder Drogenabhängigkeit konnten wir uns auch nicht unter die Nase reiben. Und das sollte eine Scheidung sein?
    Offenbar eine sehr sterile. Claire ignorierte meinen Einwand und hielt sich, zweifellos von ihrer Anwältin präpariert, an ihre Notizen. »Der Mietvertrag läuft am 30. Juni aus. Bis dahin bleibe ich hier. Das macht zehntausend an Miete.«
    »Und wann soll ich ausziehen?«
    »So bald wie möglich.«
    »Gut.« Wenn sie mich aus dem Haus haben wollte, würde ich nicht darum betteln, bleiben zu dürfen. Es war ein Wettkampf: Wer von uns beiden konnte sich geringschätziger geben?
    Beinahe hätte ich etwas Dummes gesagt, wie: »Soll hier dann ein anderer einziehen?« Ich wollte sie aufrütteln, ich wollte zusehen, wie ihr Eis in Sekundenschnelle taute.
    Statt dessen blieb ich kühl und gelassen. »Bis zum Wochenende bin ich weg«, sagte ich. Darauf hatte sie keine Antwort, aber sie runzelte auch nicht die Stirn.
    »Wieso glaubst du, dass dir achtzig Prozent von dem Investmentgeld zustehen?«
    fragte ich.
    »Ich kriege ja keine achtzig Prozent. Ich werde zehntausend für die Miete ausgeben, weitere dreitausend für Nebenkosten und zweitausend für unsere gemeinsamen Kreditkarten. Und unsere gemeinsame Steuerschuld wird etwa sechstausend betragen. Macht zusammen einundzwanzigtausend.«
    Beweisdokument C war eine lückenlose Aufstellung der gemeinsamen Güter, angefangen beim Wohnzimmer bis hin zum leeren Gästeschlafzimmer. Keiner von uns wollte sich die Blöße geben, über Topfe und Pfannen zu streiten, und so erfolgte diese Teilung in bestem Einvernehmen. »Nimm, was du willst«, sagte ich mehrmals, besonders wenn es um Dinge wie Handtücher und Bettzeug ging.

Weitere Kostenlose Bücher