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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Tisch stapelten sich Akten, die seit langem geschlossen waren. Die Bücher und Fachzeitschriften waren zuletzt vor Jahren benutzt worden.

    Einige Stapel waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Auch mit Spinnweben musste man rechnen.
    Jede Akte hatte ein Zeichen, und der Name war entweder in Druckbuchstaben oder mit der Maschine geschrieben. Zwei Polizisten schrieben die Namen und Zahlen auf, die Gasko und die anderen ihnen zuriefen. Es war zeitraubend und vollkommen sinnlos.
    Sofias Tisch sparten sie sich bis zuletzt auf. Sie nahm die Sache selbst in die Hand und rief den Polizisten die Namen zu, wobei sie auch die einfacheren buchstabierte: Jones, Smith, Williams. Die Beamten blieben auf Distanz. Sie öffnete die Schubladen gerade so weit, dass man einen kurzen Blick hineinwerfen konnte. Eine enthielt persönliche Dinge, die niemand sehen wollte.
    Ich war mir sicher, dass sie darin Waffen verwahrte.
    Die Polizisten gingen grußlos hinaus. Ich entschuldigte mich bei Mordecai und Sofia für die Störung und zog mich in die Sicherheit meines Büros zurück.

    DREIUNDZWANZIG

    Der fünfte Name auf der Liste der von der Zwangsräumung Betroffenen lautete Kelvin Lam und kam Mordecai bekannt vor. Irgendwann hatte er die Zahl der Obdachlosen in Washington auf zehntausend beziffert, und im Beratungsbüro lagen mindestens ebenso viele Akten herum. Es gab keinen Namen, der Mordecai nicht irgendwie bekannt vorgekommen wäre.
    Er machte seine Runde, klapperte Suppenküchen, Unterkünfte und Hilfsorganisationen ab und sprach mit Pfarrern, Polizisten und anderen Armenanwälten. Als es dunkel wurde, fuhren wir in die Innenstadt zu einer Kirche, die von teuren Bürogebäuden und feinen Hotels umgeben war. In einem großen Kellerraum, zwei Stockwerke unter der Straße, fand gerade die
    »Fünf-Brote-Speisung« statt. Überall waren Klapptische aufgestellt, an denen hungrige Menschen aßen und sich unterhielten. Es war keine Suppenküche; auf den Tellern waren Mais, Kartoffeln, eine Scheibe Hähnchen- oder Putenfleisch, Obstsalat und Brot. Ich hatte noch nicht zu Abend gegessen, und der Duft des Essens machte mich hungrig.
    »Ich bin schon seit Jahren nicht mehr hier gewesen«, sagte Mordecai, als wir an der Tür stehen blieben und hinunter auf die Essenden sahen. »Hier werden jeden Tag dreihundert Menschen satt. Ist das nicht wunderbar?«
    »Woher kommt das Essen?«
    »Von D.C. Central Kitchen im Keller des CCNV. Sie sammeln bei örtlichen Restaurants überschüssige Lebensmittel ein, wohlgemerkt keine Reste, sondern frische Lebensmittel, die sonst verderben würden. Sie haben mehrere Kühlwagen, fahren überall in der Stadt herum und holen Lebensmittel ab, die sie dann zu Tiefkühlmahlzeiten verarbeiten. Zweitausend Stück pro Tag.«
    »Sieht lecker aus.«
    »Es schmeckt wirklich sehr gut.«
    Eine junge Frau namens Liza kam auf uns zu. Sie war neu hier. Mordecai kannte ihren Vorgänger. Sie unterhielten sich kurz über ihn, während ich den Menschen beim Essen zusah.
    Mir fiel etwas auf, das ich schon vorher hätte bemerken müssen. Es gab verschiedene Stadien, deutliche Abstufungen der Obdachlosigkeit. An einem Tisch saßen sechs Männer und unterhielten sich angeregt über ein Basketballspiel, das sie im Fernsehen gesehen hatten. Sie waren relativ gut gekleidet. Einer trug beim Essen Handschuhe, aber davon abgesehen hätten sie in jeder Arbeiterkneipe sitzen können, ohne sofort als Obdachlose aufzufallen. Hinter ihnen saß ein hünenhafter Mann mit einer dunklen Sonnenbrille für sich allein da und aß mit den Fingern. Seine Gummistiefel sahen ähnlich aus wie die, in denen Mister gestorben war, sein Mantel war schmutzig und zerlumpt. Der Mann nahm keinen Anteil an seiner Umgebung. Sein Leben war erheblich schwerer als das der Männer, die am Nebentisch lachten: Sie hatten Zugang zu warmem Wasser und Seife, er wusch sich einfach nicht mehr; sie schliefen in einer Unterkunft, er bei den Tauben im Park. Aber sie waren allesamt obdachlos.
    Liza kannte Kelvin Lam nicht, wollte sich aber umhören. Wir sahen ihr nach, als sie zwischen den Tischen hindurchging, mit Leuten sprach, auf die Papierkörbe in den Ecken des Raums zeigte und sich zu einer älteren Frau hinunterbeugte.
    Sie setzte sich zwischen zwei Männer, die sie nicht ansahen, während sie mit ihnen sprach. Sie ging zum nächsten Tisch und dann zum nächsten.
    Zu unserer Überraschung erschien ein Anwalt, ein junger Mitarbeiter einer großen Kanzlei, der gratis für

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