Der Verrat
politischer Mord, wie Ihr sehr genau wisst«, sagte Fürst Matsudaira. »Mein Sohn ist Eurem Streben nach Macht zum Opfer gefallen. Ihr habt ihn getötet, damit Euer Balg den Platz Mitsuyoshis als Erbe des Shōgun einnehmen kann! Er war eines der Opfer Eurer Angriffe auf das Tokugawa-Regime. Jetzt sucht Ihr einen Sündenbock, dem Ihr die Schuld für Euer Verbrechen anlasten könnt, damit Ihr der Anklage wegen Hochverrats entkommt.«
»Ich bin weder ein Mörder noch ein Verräter«, verteidigte Sano sich leidenschaftlich. »Ich bin unschuldig, und ich werde es beweisen.«
Fürst Matsudaira stieß Sano einen Finger gegen die Brust. »Mitsuyoshis Brüder und Gefolgsleute wissen, was für ein Schurke Ihr seid! Wenn Ihr Euch ihnen nähert, werden sie Euch töten, um seine heimtückische Ermordung zu rächen. Betrachtet es als unverdiente Gunst von meiner Seite, dass ich Euch gar nicht erst die Erlaubnis erteile, mit ihnen zu sprechen. Ich bin nicht gewillt, gegen das Recht des Shōgun zu verstoßen, Euer Schicksal zu besiegeln. Doch wenn Ihr noch einmal hierher kommt oder Euch einem Bewohner meines Hauses nähert …« Er hob das Schwert und schwang es in Sanos Richtung. »Dann werde ich Euch persönlich töten und den Henkern die Arbeit ersparen!«
Die Ermittler sprangen zwischen Sano und Fürst Matsudairas Schwert. Auch die Wachposten des Fürsten zogen ihre Waffen, um bereit zu sein, falls es zu einem Kampf kam. »Auch wenn Ihr mich beschuldigt und bedroht – der wahre Mörder ist noch in Freiheit«, sagte Sano. »Und wenn Ihr mir bei meinen Ermittlungen nicht helfen wollt und Euch auf die Seite meiner Feinde stellt, verweigert Ihr Eurem Sohn die Gerechtigkeit, die er verdient. Dann kommt der Mörder ungestraft davon.«
Fürst Matsudaira bedachte Sano mit einem feindseligen Blick und zischte: »Das ist jetzt schon der Fall.« Dann wandte er sich an seine Wachen: »Führt den sōsakan-sama von meinem Anwesen, bevor ich ihn dem Gericht übergebe.«
Nachdem Sano und Hirata Reiko verlassen hatten, um Erkundigungen über Fürst Mitsuyoshi einzuholen, hatte Reiko sich in den Palast des Shōgun begeben, um ihre eigenen Ermittlungen fortzusetzen. Sie hatte gehofft, ihren Vetter Eri anzutreffen und von dessen Freundinnen unter den Konkubinen des Shōgun neue Informationen über Fürst Mitsuyoshi zu erhalten. Doch schon die erste Hofbeamtin in den Frauengemächern teilte Reiko mit, alle Damen seien zu beschäftigt und könnten nicht mit ihr sprechen. Ihre kühle Art bewies die traurige Wahrheit: Die Frauen wussten bereits, dass Sano am Rande des Abgrunds stand. Nun hatten sie dessen Gemahlin die Freundschaft entzogen, weil sie durch deren Schwierigkeiten nicht selbst ins Verderben gerissen werden wollten.
Alle Besuche bei Freunden und Verwandten im Beamtenviertel endeten auf dieselbe Weise. Reiko fühlte sich wie eine Ausgestoßene, als sie nach Hause zurückkehrte.
Kaum saß sie im Empfangszimmer, von dem schrecklichen Gedanken geplagt, Sano nicht mehr helfen zu können, erschien einer von Sanos Ermittlern in der Tür. »Ich habe Informationen für Euch, ehrenwerte Reiko, falls der sōsakan-sama nicht abkömmlich ist. Ich habe das Badehaus gefunden, in dem Wisteries Freundin Yuya arbeitet.« Er erklärte Reiko, wo genau in Nihonbashi dieses Badehaus stand. »Ich habe es heute Morgen durchsucht. Von Wisterie gab es keine Spur. Alle behaupten, nichts über ihren Verbleib zu wissen, aber ich glaube, Yuya lügt.«
Reiko erschauerte. Vielleicht hatte ihr Besuch bei der Familie der Kurtisane zu einer neuen Spur geführt. Ein Gespräch mit Yuya würde möglicherweise die Wahrheit an den Tag bringen. »Gebt den Wachposten und Trägern Bescheid, dass sie mich sofort zum Badehaus bringen sollen«, bat sie.
Der Ermittler ging davon, um den Befehl zu überbringen. Reiko eilte in ihr Privatgemach, um sich für die Reise umzuziehen. Sie hatte soeben ihren Dolch unter dem Ärmel versteckt, als das Kindermädchen O-hana verlegen das Zimmer betrat.
»Ihr seid um diese späte Zeit aber noch sehr beschäftigt, Herrin«, sagte O-hana.
Reiko nahm die aufdringliche Bemerkung stirnrunzelnd zur Kenntnis. Sie verdächtigte O-hana, an der Tür gelauscht zu haben. »Ja, allerdings«, erwiderte Reiko in einem Tonfall, der dem Kindermädchen weitere Fragen untersagte. Reiko sah, dass O-hana nervös war und ihre Augen heller strahlten als sonst. Das Mädchen beachtete den drohenden Unterton in Reikos Stimme nicht.
»Ich habe gehört, dass
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