Der Verrat
dass O-hana einen Wunsch hatte, den sie ihr problemlos erfüllen konnte.
»Das könnte ich einrichten«, sagte die Fürstin.
»Was?«, rief O-hana überrascht.
»Eine gute Partie für dich. Die Ehe mit einem Tokugawa-Samurai.« Fürstin Yanagisawas Vermögen und der hohe Rang ihres Gemahls würden ausreichen, um jemanden zu finden, der ein hübsches Dienstmädchen heiratete.
O-hana war völlig verwirrt und konnte ihr Glück nicht fassen. »Das würdet Ihr für mich tun?«, stieß sie hervor und griff sich an die Brust. Dann aber kniff sie argwöhnisch die Augen zusammen. Sie war nicht dumm und wusste, dass eine Gunst nicht ohne Gegenleistung erwiesen wurde. »Warum?«, fragte sie mit lauerndem Unterton.
»Weil ich möchte, dass du etwas für mich tust«, erwiderte Fürstin Yanagisawa. Ihr Herz klopfte laut. Sie hatte das dringende Bedürfnis, O-hanas Komplizenschaft zu gewinnen – und Angst, es könnte misslingen.
»Was denn, Herrin?« In O-hanas Stimme schwang Wachsamkeit mit, doch sie beugte sich neugierig vor.
»Erstens möchte ich, dass du mir alles sagst, was Reiko -san macht. Zweitens … aber das kann ich dir jetzt noch nicht sagen.«
»Soll ich Reiko- san etwas antun?« O-hanas Eifer verflog, und auf ihrer Miene spiegelte sich Unbehagen. »Aber das will ich nicht! Ich will ihr keinen Schaden zufügen.« Das Mädchen war ehrgeizig, aber nicht boshaft, stellte Fürstin Yanagisawa fest. »Und ich möchte keine Schwierigkeiten bekommen«, fügte O-hana hinzu.
Also war ihr Selbsterhaltungstrieb größer als ihre Zuneigung zu Reiko. Diese Erkenntnis machte Fürstin Yanagisawa neuen Mut. Sie würde O-hana auf ihre Seite ziehen können, wenn das Mädchen wüsste, dass es ungestraft davonkäme.
»Ich verspreche dir, dass du Reiko- san nichts antun musst und keine Schwierigkeiten bekommst«, beteuerte die Fürstin. »Wir treffen ein Abkommen. In Kürze werde ich dir sagen, was du zu tun hast. Du wirst dich daran halten. Anschließend arrangiere ich deine Eheschließung mit einem reichen und gut aussehenden Tokugawa-Samurai, der dir gefallen wird.«
O-hana zögerte. Sie wog die Belohnung und die unbekannte Gefahr gegeneinander ab. Schließlich schüttelte sie ablehnend den Kopf. »Ich kann erst einwilligen, wenn ich weiß, was ich tun muss.«
Zorn stieg in Fürstin Yanagisawa auf. Doch sie hatte sich auf die Möglichkeit eingestellt, dass O-hana sich sträuben könnte. »Siehst du das grüne Kästchen auf dem Regal, wo das Porzellan steht?«, fragte sie und streckte den Arm aus.
O-hana blickte in die gewiesene Richtung und nickte.
»Öffne es und schau hinein«, sagte die Fürstin.
O-hana stand auf, ging zum Regal und hob den Deckel von dem kleinen Kästchen. Darin lag ein in rotes Papier eingewickeltes Päckchen. Als sie es herausnahm und das Gewicht der Goldmünzen in ihrer Hand spürte, riss sie den Mund auf.
»Ich biete dir dieses Geschenk als Beweis meines guten Willens«, sagte Fürstin Yanagisawa. »Wenn du auf meinen Vorschlag eingehst, gehört es dir.«
O-hana stand regungslos da, das Päckchen in der Hand. Sie starrte darauf, als versuchte sie zu ergründen, ob sie ihren schönsten Traum in Händen hielt oder eine giftige Schlange, die sie jeden Moment beißen würde. Fürstin Yanagisawa hielt den Atem an, während sie das Kindermädchen aufmerksam im Auge behielt. Und wenn O-hana nun ablehnte? Würde sie Reiko dann von diesem Gespräch berichten? Was würde dann geschehen? Aber wie konnte sie, Fürstin Yanagisawa, ihre Ziele ohne O-hanas Hilfe erreichen …?
Widerstreitende Gefühle – Arglist und Habsucht, Misstrauen und Angst – zeigten sich auf dem Gesicht des Mädchens. »Ich muss erst darüber nachdenken«, sagte sie.
»Dann denk auch daran, dass mein Gemahl der mächtigste Mann in Japan ist«, entgegnete Fürstin Yanagisawa mit leiser, ausdrucksloser Stimme, die ihre Gefühle verschleierte. »Wer ihn oder seine Familie beleidigt, muss teuer dafür bezahlen. Viele seiner Widersacher werden ermordet oder hingerichtet. Einige verschwinden, und niemand weiß, was aus ihnen wird …«
O-hana hob den Blick zu Fürstin Yanagisawa. Ihre Augen schimmerten vor Angst und Entsetzen, als sie begriff, dass sie keine andere Wahl hatte, als sich zu fügen. Sie nickte und umklammerte zögernd das Paket mit den Münzen.
Fürstin Yanagisawa empfand ein solch überwältigendes Triumphgefühl, dass sie einer Ohnmacht nahe war. Zugleich aber zitterte sie vor Furcht und Anspannung, weil sie nun einen
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