Der Verrat
hatten Glück«, sagte er.
»Das Glück ist wankelmütig«, entgegnete Sano. »Aber wir können es uns vielleicht erhalten, indem wir zusammenarbeiten.«
Todas Miene blieb unverändert, doch Sano konnte den Widerstand des metsuke -Agenten spüren, als Toda klar wurde, dass sein Besucher ihn um eine größere Gefälligkeit bitten würde. Die Agenten des metsuke waren vor allem damit beschäftigt, Informationen zu sammeln und aufzubewahren. Sie wussten Dinge, von denen andere nicht die leiseste Ahnung hatten; sie wachten eifersüchtig über ihre einzigartige Macht, und sie wollten den alleinigen Verdienst, dass der bakufu die Herrschaft über Japan behielt. Manchmal aber wurde der metsuke Opfer seiner eigenen Gewohnheiten.
Nach der Vernichtung der Schwarzen Lotosblüte war eine beunruhigende Tatsache ans Licht gekommen: Der metsuke besaß Unterlagen über die verbotenen Aktivitäten dieser Sekte schon über Jahre hinweg. Dennoch hatte der Geheimdienst nicht verhindert, dass die Schwarze Lotosblüte sich eine große und gefährliche Gefolgschaft erwarb; ganz im Gegenteil hatte der Geheimdienst seine Akten dem Minister für Tempel und Heiligtümer vorenthalten, der bei dem Versuch, die Sekte zu zerschlagen, den metsuke um Hilfe gebeten hatte. Weitere Nachforschungen hatten ergeben, dass Sektenmitglieder sogar dem Geheimdienst angehört hatten.
Wieder hatte Toda den Sturm überlebt, der daraufhin über den metsuke hinweggefegt war, doch nicht einmal er war unverwundbar. Die Ermordung Fürst Mitsuyoshis war eine politisch so heikle Angelegenheit, dass es einem Selbstmord gleichkäme, würde Toda sich nun weigern, Sano bei dessen Ermittlungen zu unterstützen.
»Was kann ich für Euch tun?«, fragte Toda mit einem resignierten Seufzer.
»Beginnen wir mit Schatzminister Nitta«, sagte Sano.
Der Agent ließ den Blick durch seine Schreibstube schweifen, dann erhob er sich und sagte: »Gehen wir woandershin, ja?«
Kurz darauf spazierten die beiden Männer an der Pferderennbahn des Palasts entlang. Im Sommer preschten Samurai auf edlen Pferden über diese Strecke, bejubelt von Palastbeamten. Jetzt aber war die Rennbahn verlassen, der Boden kahl, die Zuschauerbänke leer. Nur der schwache Geruch nach Dung hing noch in der Luft. Eine leere Wiese, umgeben von Bäumen und Steinmauern, trennte Sano und Toda vom restlichen Palastgelände.
»Stimmt es, dass Schatzminister Nitta Geld aus dem Staatsschatz unterschlägt?«, fragte Sano.
Toda machte den Eindruck, als hätte er mit Sanos Frage gerechnet, dennoch runzelte er die Stirn und blickte beunruhigt. »Wo habt Ihr das gehört?«
»Wie es scheint, hatte Nitta es Kurtisane Wisterie erzählt, die es ihrerseits einem anderen Freier erzählt hat«, antwortete Sano.
»Nun, Nitta ist Gegenstand streng geheimer Ermittlungen«, sagte Toda. »Es würde mich wundern, falls er sich tatsächlich selbst belastet haben sollte, aber Männer sind manchmal unvorsichtig mit dem, was sie Kurtisanen anvertrauen.«
»Dann stimmt es also? Nitta hat Geld unterschlagen?«
Toda nickte und ließ den Blick über die Dächer der Stallungen des Palasts schweifen. Ein Schwarm Krähen hatte sich in den Fichten niedergelassen. »Die Tributzahlungen aus den Provinzen und die entsprechenden Summen in den Rechnungsbüchern des Schatzamts stimmten nicht überein. Nachdem wir in der Sache ermittelt hatten, richtete unser Verdacht sich auf Nitta. Zuvor war er stets ehrlich gewesen, aber Yoshiwara ist ein teures Pflaster. Wir haben Nitta überwacht und ihn dabei beobachtet, wie er sich eines Nachts Gold aus dem Tresorraum holte. Dann änderte er die Eintragungen in den Rechnungsbüchern um den verschwundenen Betrag, um den Diebstahl zu vertuschen.«
Der Agent warf Sano einen scharfen Blick zu. »Aber was haben Nittas Unterschlagungen mit dem Mord zu tun? Erhärten sie den Verdacht gegen ihn?«
»Kann sein«, sagte Sano. »Vielleicht hat er auch Wisterie ermordet, weil er bereut hat, ihr von seinen Unterschlagungen berichtet zu haben, und verhindern wollte, dass sie es weitererzählt. Auch wenn sie keine Beweise hatte und bloß eine Prostituierte war, hätten ihre Anschuldigungen Nittas Ruf schaden können.«
»Vielleicht hat Wisterie dem Fürsten Mitsuyoshi von den Unterschlagungen erzählt«, meinte Toda. »In diesem Fall hätte es für Nitta am gefährlichsten werden können, weil er und Mitsuyoshi Feinde waren. Nitta hatte einen Bericht darüber verfasst, welche Unsummen der Fürst verschleuderte, und
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