Der Verrat
wird.«
»Das ist ein Scherz!«, rief Ross aufgeregt.
»Nein. Ist das nicht unglaublich? Es hat nicht einmal einen Tag gedauert, und du hast kaum einen Finger rühren müssen.«
»Wo bist du?«
»Im Hotel. Ich treffe mich mit irgend so einem Scherzbold aus Indiana, der glaubt, dass er dort Gouverneur werden kann.«
»Fass dich kurz. Wir treffen uns heute Mittag in der Bar. Wir sehen es uns gemeinsam an. Ich kann es nicht erwarten, Kennedys deprimiertes Gesicht zu sehen.«
»Okay, bis dann.« Garret beendete das Gespräch, als der Mann, den er erwartete, in die Lobby spazierte. Der Kerl musste an die zwei Meter groß sein. Das war das Erste, was ihm an dem Mann auffiel; das Zweite war der größte Adamsapfel, den er je gesehen hatte. Wenn die Leute in Indiana nicht gerade einen Gouverneur haben wollten, der wie ein Storch aussah, hatte der Typ nicht den Funken einer Chance.
45
Im Weißen Haus, Washington D. C.
Irene Kennedy hatte den Präsidenten selten so erleichtert gesehen. Nachdem sie ihre PowerPoint-Präsentation beendet hatte, gestand er ihr, dass er schon das Schlimmste befürchtet hatte, als er den Artikel in der New York Times gelesen hatte. Verständlicherweise wollte er seine Amtszeit nicht mit einem Skandal ausklingen lassen. Nun sah es sogar so aus, als würde er mit einem Erfolg aus dem Amt scheiden können. Gazich war schuldig, daran bestand kein Zweifel. Die zypriotische Regierung hatte erst heute Vormittag der UNO ihre Protestnote übermittelt. Sie hatte wohl voreilig gehandelt, das würden sie in Kürze zur Kenntnis nehmen müssen. Vor allem aber freute sich der Präsident auf die langen Gesichter all seiner Kritiker und Feinde.
Kennedy hatte keine Mühe gehabt, dem Präsidenten Rapps Idee von einer Pressekonferenz schmackhaft zu machen. Hayes konnte es kaum erwarten, der New York Times die Rechnung für ihr vorschnelles Handeln zu präsentieren. Er würde nicht nur mit einem Erfolg aus dem Amt scheiden, nein, er würde sogar etwas tun können, was nur wenigen Präsidenten vergönnt war: er konnte der Presse ihren eigenen Fehler unter die Nase reiben. Rapp hatte recht gehabt, als er meinte, dass die Sache noch recht lustig werden würde. Irene Kennedy hatte sich jedoch nur kurz amüsiert; nun überwog die Angst vor einem Skandal, der möglicherweise großen Schaden für das Land anrichten konnte, und sie beschloss, gegenüber dem Präsidenten nichts von ihrem Verdacht zu erwähnen. Und das nicht, weil sie ihm nicht vertraut hätte, sondern weil sie zuerst handfeste Beweise brauchte. Bis jetzt hatte sie nichts als einige peinliche Fotos, eine Theorie, ein tiefes Misstrauen gegenüber Mark Ross und die Befürchtung, dass Josh Alexander so machtgierig sein könnte, dass er seine eigene Frau hatte ermorden lassen, um die Wahl zu gewinnen.
Kennedy stand zusammen mit Juarez vor dem Presseraum des Weißen Hauses. Sie wollte, dass er dabei war, damit der Clandestine Service ein wenig wohlverdiente positive Publicity bekam. Für Kennedy war das Ganze dennoch kein Anlass zum Feiern; sie musste voller Sorge daran denken, was Rapp noch alles zutage fördern könnte. Möglicherweise würden sie eine bittere Wahrheit entdecken, die das Vertrauen der Nation in ihre gewählten Vertreter zutiefst erschüttern und Amerikas internationalen Ruf nachhaltig beschädigen würde. Kennedy brauchte unbedingt Gewissheit darüber, was geschehen war, und sie musste es herausfinden, bevor Alexander und Ross ihren Eid ablegten.
Kennedys Telefon läutete. Sie blickte auf das Display und sah, dass es Rapp war. »Wie ist es gelaufen?«, fragte sie.
»Sie hatte keine Ahnung, dass die beiden eine Affäre hatten.«
»Glaubst du ihr?«
»Ja.«
»Hat sie bestätigt, dass sie es war, die ihn angewiesen hatte, mit dem zweiten Wagen zu fahren?«
»Ja.«
»Hmmm.« Kennedy fragte sich, ob sie mit ihren Ermittlungen hier an eine Grenze gestoßen waren. Einerseits wünschte sie sich, die ganze Sache an diesem Punkt beenden und begraben zu können, doch andererseits wollte sie auch beweisen, dass ihr Gefühl sie nicht trog.
»Aber das ist noch nicht alles«, fuhr Rapp fort, »Garret war es, der ihr sagte, dass Cash und Alexanders Frau im selben Wagen fahren sollten. Anscheinend hat Garret ihr mitgeteilt, dass die Frau ausdrücklich Cash verlangt hätte.«
»Aber das lässt sich natürlich nicht beweisen.«
»Ich denke, doch.«
»Wie?«
»Ich schnappe mir diesen kleinen Scheißer Garret und drohe ihm, dass ich ihm die Augen
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