Der Verrat
zur Wall Street und genoss hohes Ansehen im Senat, doch er war clever genug, seine Ambitionen nicht vorschnell zu bekunden. Er wartete bis zu den Vorwahlen in New Hampshire, wo Alexander sich als klarer Favorit für die Kandidatur der Demokraten herausstellte. Dann begann er, seine Beziehungen spielen zu lassen und die Idee zu verbreiten, dass der junge Präsidentschaftskandidat einen Vizepräsidenten bräuchte, der über einiges Gewicht auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit verfügte. Während er seine Leute losschickte, um für ihn Lobbying zu betreiben, machte er sich als großzügiger Gastgeber bei den reichen Geldgebern der Partei beliebt und begann den jungen Gouverneur von Georgia zu umwerben.
Alles lief so, wie Ross es geplant hatte. Als er beim Parteikonvent die Bühne betrat, brach der Saal in Jubel aus, und die Meinungsumfragen bestätigten ihnen einen Vorsprung von acht Prozent gegenüber den republikanischen Herausforderern. Das war vor drei Monaten gewesen, als die Wahlkampagne noch wie am Schnürchen lief. Danach kam der große Einbruch – sie verloren ihren gesamten Vorsprung und lagen nun, zwei Wochen vor der Wahl, sogar drei Prozent hinter den Gegnern. Ross spürte den Druck immer stärker. Ihre Meinungsforscher wussten genau, wo das Problem lag; die Wähler trauten den beiden Kandidaten nicht genug Stärke auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit zu. Diese Lücke hätte eigentlich Ross ausfüllen sollen – aber wer hatte schon ahnen können, dass der Präsident sie völlig im Stich lassen würde?
Der Mann hatte sie hängen lassen, als sie ihn am dringendsten gebraucht hatten. Gewiss, er hatte eine öffentliche Solidaritätsadresse abgegeben. Aber was hätte er denn sonst tun sollen – vielleicht den republikanischen Kandidaten unterstützen? Sie hatten angenommen, dass er für sie in den Ring steigen würde. Er sollte mithelfen, das nötige Geld aufzutreiben, um den Wettlauf um die größere Fernsehpräsenz zu gewinnen. Er sollte seinen ganzen Einfluss geltend machen und sein Vertrauen in den jungen Kandidaten und dessen erfahrenen Vize bekunden. Doch der Präsident schwieg und zeigte ihnen die kalte Schulter.
Den Journalisten erzählte der Präsident, dass ihm seine Krankheit zu schaffen mache und dass er einfach nicht mehr die Energie für einen kräftezehrenden Wahlkampf habe. Er fühle sich eben in erster Linie seinem Amt und dem amerikanischen Volk verpflichtet. Ross glaubte das zuerst selbst, doch dann erfuhr er aus zwei zuverlässigen Quellen, dass er selbst der Grund für die Zurückhaltung des Präsidenten war. Der Mann war beleidigt, weil ihn niemand gefragt hatte, wen er für den besten Kandidaten für die Vizepräsidentschaft hielt, und er machte kein Hehl aus seiner Ansicht, dass Ross keine gute Wahl sei.
Ross war zunächst tief getroffen, doch er tat es als die Meinung eines verbitterten alten Mannes ab, der am Ende seines Weges angelangt war. Als Kämpfer, der er war, legte sich Ross noch mehr ins Zeug – doch an diesem Morgen mischte sich Angst in seine immer noch positive Einstellung. In zwei Wochen ließ sich die Stimmung unter den Wählern nur noch bis zu einem gewissen Grad ändern. Sie würden eine echte Überraschung brauchen, um doch noch zu triumphieren – aber wenn es ihnen gelang, würde Ross es dem Präsidenten genüsslich unter die Nase reiben, dass sie es auch ohne ihn geschafft hatten.
Der Konvoi wurde langsamer, und die Führungsfahrzeuge scherten aus der Reihe aus. Ross blickte durch das getönte kugelsichere Fenster auf die Medienvertreter, die sich vor dem Landhaus versammelt hatten. Das schwere schwarze Eisentor ging auf, und die beiden Limousinen fuhren in die schmale kreisförmige Zufahrt ein. Dumbarton Oaks war ein zweiundzwanzig Morgen großer Landsitz in Georgetown, der Bekanntheit erlangt hatte, als im Kriegsjahr 1944 eine Konferenz abgehalten wurde, die zur Gründung der Vereinten Nationen führte. Es war Ross’ Idee gewesen, hier eine Konferenz zur nationalen Sicherheit abzuhalten und dazu die wichtigsten Köpfe einzuladen, um darüber zu diskutieren, welche die größten Bedrohungen für das Land seien. Ein ehemaliger Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs war ebenso dabei wie zwei Ex-Außenminister, ein Ex-Verteidigungsminister und mehrere ehemalige CIA-Direktoren, außerdem einige weniger bekannte Generäle und ein paar Nahost-Experten und moslemische Geistliche aus der ganzen Welt.
Nach der dreistündigen Konferenz war geplant, dass sie
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