Der Verrat
Gazichs Geständnis vor. Gewisse Teile muss ich Ihnen vorenthalten, weil dazu noch Ermittlungen im Gange sind.« Kennedy drückte erneut einen Knopf, worauf der Text des Geständnisses im Originalwortlaut auf dem Bildschirm erschien. Eine Sekunde später konnte man auch Stimmen hören.
»Wie sind Sie in die USA gekommen? Vorsicht, denken Sie gut über die Frage nach. Es würde Ihnen leidtun, wenn Sie mich anlügen.«
»Ich bin am Tag davor nach New York geflogen.«
»Welcher Flughafen?«
»JFK.«
»Der Sprengstoff?«
»Hat schon auf mich gewartet.«
»Wo?«
»Pennsylvania.«
»Der Bundesstaat?«
»Ja, der Bundesstaat. Jetzt geben Sie mir schon das Morphium.«
»Noch nicht. Sie machen das aber recht gut. Sie sind also mit dem Van nach Washington gefahren … wann, am Freitag?«
»Nein. Ich habe doch gesagt, dass ich am Freitag in New York ankam.«
»Dann haben Sie also am Freitag in Pennsylvania übernachtet?«
»Ja … ja! Der Van hat schon auf mich gewartet, und ich fuhr am Samstagmorgen nach Washington. Ich fand einen Parkplatz, stellte den Wagen ab, wartete und jagte ihn im richtigen Moment in die Luft. Das war’s.«
Garret stand abrupt auf. »Das ist doch Unsinn … nicht wahr? Ich meine, diese Scheiße hat sie doch nur erfunden, oder?«
Ross hatte die Arme vor der Brust verschränkt und eine Faust unter das Kinn gelegt. »Halt die Klappe«, versetzte er, »ich will hören, was sie sagt.«
»Direktor Kennedy«, meldete sich erneut Cohen zu Wort, »wurde diese Aufzeichnung gemacht, bevor oder nachdem der Verdächtige angeschossen wurde?«
»Worauf wollen Sie hinaus, Sam?«
»Wenn jemand in beide Knie und beide Hände geschossen wird, dann kann man sich vorstellen, dass der Betreffende so gut wie alles sagen wird, um weiteren Schmerz zu vermeiden. So etwas nennt man ein erzwungenes Geständnis. Und wenn Mitch Rapp den Mann angeschossen hat, bevor er ihn verhörte, dann wird es keinen Richter hier im Land geben, der dieses Geständnis als Beweismittel anerkennt.«
»Ich weiß nicht, wie aufmerksam Sie mir zugehört haben, Sam, aber wir haben es hier mit einem ziemlich brutalen Geschäft zu tun. Man kann nicht irgendeinen Pfadfinder losschicken, um ein Monster wie Gavrilo Gazich zu fassen. Für so etwas muss man jemanden wie Mitch Rapp einsetzen. Und man ruft nicht ›keine Bewegung!‹ und zeigt seine Dienstmarke, sondern man setzt den Mann außer Gefecht, damit man nicht so endet wie die beiden Männer hier.« Kennedy richtete die Fernbedienung auf den Bildschirm und ging zu dem Foto mit den beiden Toten zurück. »Was die Frage betrifft, ob das Geständnis erzwungen war oder nicht, so lasse ich die Beweise in ihrer Gesamtheit für sich sprechen.«
Kennedy holte ein Foto von Gazich auf den Bildschirm. »Das ist der Mann, der die Bombe durch Fernzündung hat hochgehen lassen – eine Explosion, bei der vergangenen Oktober neunzehn Amerikaner ums Leben gekommen sind. Wir haben nicht nur sein Geständnis, sondern auch einige wichtige Hinweise, die wir in seinem Haus und seinem Büro gefunden haben. Diese Hinweise werden uns, so glauben wir, zu den Leuten führen, die ihn angeheuert haben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und stehe Ihnen gerne für die eine oder andere Frage zur Verfügung.«
Ein wildes Durcheinander entstand im Raum, als über ein Dutzend Journalisten aufsprangen und ihr ihre Fragen zuriefen.
Ross fluchte leise vor sich hin, während Garret ein paar wüste Flüche hervorstieß.
»Was machen wir jetzt, verdammt noch mal?«, fragte Garret. »Diese Idioten haben gesagt, sie kümmern sich darum.«
Ross stand regungslos da, die Arme verschränkt und die Faust fast krampfhaft ans Kinn gedrückt. Nach und nach begann er zu zittern, und sein Gesicht verfärbte sich dunkelrot.
Garret ging vor ihm im Zimmer auf und ab. »Hast du gehört, was das Miststück gesagt hat?« Er blieb stehen und zeigte auf den Fernseher, so als müsste er Ross erst erklären, wen er meinte. »Sie hat gesagt, sie haben Informationen. Hinweise, die sie zu den Leuten führen werden, die Gazich angeheuert haben! Hast du das gehört, verdammt noch mal?«
»Ja, ich habe es gehört, verdammt!«, versetzte Ross und ballte beide Hände zur Faust, so als wolle er jemanden verprügeln. Er ging auf Garret zu und fügte mit leiserer Stimme hinzu: »Ich sage dir jetzt, was du tun wirst, Stu. Du setzt dich noch heute Nachmittag in ein Flugzeug und fliegst hinüber, und du wirst diesen Armleuchtern klarmachen,
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