Der Verrat
Sie die Meldungen bestreiten, wonach die CIA Mr. Deckas in seinem Wohnort in Zypern gekidnappt hat?«
Die Kamera schwenkte auf Kennedy zurück. »Ich würde eher davon sprechen, dass man ihn gefasst hat.«
»Dann können Sie es also nicht bestreiten?«
Kennedy schürzte kurz die Lippen, ehe sie antwortete: »Nein.«
Cohen machte sich noch Notizen, während er schon die nächste Frage stellte. »Können Sie die Berichte dementieren, wonach Mitch Rapp diesen Mann mit vier Kugeln verletzt hat – zwei in die Knie und zwei in die Hände?«
Erneut überlegte Kennedy einen Augenblick, ehe sie ihre kurze Antwort gab. »Nein.«
Cohen sah sie mit einem überraschten und gleichzeitig amüsierten Blick an. »Hat Agent Rapp dem Mann die Verletzungen zugefügt, als er ihn folterte?«
»Es passierte bei der Festnahme des Verdächtigen, aber ich denke, Sie sind da ein bisschen vorschnell, Sam.«
»Bei allem Respekt, Direktor Kennedy, ich halte die Folterung eines Menschen in jeder Situation für skandalös. Unsere Gerichte haben mehrfach deutlich gemacht, dass sie das genauso sehen. Die Folterung eines Menschen, dessen Schuld oder Unschuld erst bewiesen werden muss, kann in keiner Weise geduldet werden.«
»Wenn der Mann tatsächlich unschuldig wäre und man ihn wirklich gefoltert hätte, dann würde ich Ihnen zustimmen.«
»Sie haben uns rein gar nichts gezeigt, was auch nur annähernd beweisen würde, dass dieser Deckas derjenige ist, der den Anschlag auf den Konvoi durchgeführt hat, und ich kann mir nicht vorstellen, dass es notwendig sein sollte, jemandem bei der Festnahme vier Kugeln zu verpassen.«
Ein verschmitztes Lächeln erschien auf Kennedys Lippen. »Das liegt daran, dass Sie mich unterbrochen haben, Sam. Es scheint eine Gewohnheit der New York Times zu sein, Schlussfolgerungen zu ziehen, bevor man alle Fakten kennt.«
Ihr Lächeln machte Ross stutzig. So lächelte ein Schachspieler, wenn einem der Gegner in die Falle getappt war. Irgendetwas stimmte hier nicht. Ihr Gesichtsausdruck war ganz und gar nicht so, wie man es von jemandem erwartet hätte, über den gleich die Medien herfallen würden. Ross beobachtete, wie sie sich wieder dem Bildschirm zuwandte und die Fernbedienung drückte. Das Foto von Deckas blieb auf dem Bildschirm, und daneben erschien ein zweites Bild von ihm, das ihn in jüngeren Jahren zeigte.
»Mr. Deckas ist in Wahrheit kein zypriotischer Staatsbürger. Sein richtiger Name ist Gavrilo Gazich, und er wird wegen Kriegsverbrechen, die er im ehemaligen Jugoslawien begangen hat, vom Tribunal in Den Haag gesucht. Mr. Gazich ist Bosnier, und ihm wird zur Last gelegt, während des Krieges mehr als drei Dutzend Männer, Frauen und Kinder getötet zu haben. Vor fünf Jahren übersiedelte er nach Zypern und gründete unter falscher Identität eine Firma, die sich darauf spezialisierte, Hilfslieferungen in arme Regionen Afrikas zu ermöglichen. Aufgrund von Informationen, die wir in seinem Büro und seinem Haus gefunden haben, müssen wir davon ausgehen, dass er im Laufe des vergangenen Jahrzehnts nicht weniger als sechzehn Auftragsmorde begangen hat. Unter seinen Opfern sind unter anderem ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen, Entwicklungshelfer, Politiker, Warlords, Generäle und zumindest ein Journalist.«
Garret riss sich vom Fernsehschirm los und wandte sich Ross zu. »Was, zum Teufel, hat das zu bedeuten?«
Bevor Ross etwas antworten konnte, fuhr Kennedy in ihrem Bericht fort. »Mr. Gazich hat außerdem gestanden, eine maßgebliche Rolle bei dem Anschlag vergangenen Oktober in Washington gespielt zu haben.«
»Hat er das Geständnis abgelegt, bevor oder nachdem man ihn in beide Knie geschossen hatte?«, meldete sich Sam Cohen von der New York Times zu Wort, blieb jedoch diesmal sitzen.
Kennedy hielt ihren Blick auf Cohen gerichtet, während sie die Fernbedienung drückte, worauf zwei neue Fotos am Bildschirm erschienen. Sie zeigten die bleichen Gesichter von zwei Toten. »Während das CIA-Team Mr. Gazich auf Zypern observierte, sahen sie, wie er diese beiden Männer tötete. Wir wissen nicht, wer sie sind, aber wir haben Grund zur Annahme, dass es sich um Russen handelt. Wir glauben weiters, dass sie den Auftrag hatten, Mr. Gazich zu töten und damit einen Unsicherheitsfaktor aus dem Weg zu räumen. Gazich ist eine potenzielle Gefahr für die Leute, die ihn angeheuert haben, den Konvoi des designierten Präsidenten anzugreifen … Ich spiele Ihnen jetzt einen Ausschnitt aus
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