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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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halten. Es war ihr, als hätte sie ihn heute Morgen zum ersten Mal so gesehen, wie er wirklich war. Der Mann hatte noch nicht einmal sein Amt angetreten. Wenn er angerufen und sie zu dem Artikel befragt hätte, so hätte sie das verstanden. Wenn er eine Unterredung gefordert hätte, so hätte sie sich zwar gewundert, dass er nichts Wichtigeres zu tun hatte, wäre aber trotzdem darauf eingegangen. Aber dass er einfach so hier hereinplatzte, das war schon merkwürdig. Es war, als wollte er sie am Boden sehen.
    Das bläulich weiße Licht von Xenon-Scheinwerfern tauchte am anderen Ende des Blocks auf. Wenige Sekunden später hielt ein silberfarbener Audi abrupt unten am Randstein an. Kennedy sah, wie Dumond und Rapp aus dem Wagen stiegen und den Bürgersteig heraufkamen. Der jüngere der beiden, Dumond, bewegte sich lässig und entspannt, während er sich mit einem kleinen Gerät beschäftigte, das er in der linken Hand hielt. Rapp hingegen bewegte sich mit athletischer Anmut. Da war nichts Hastiges oder Ruckartiges an seinen Bewegungen. Sein Kopf schwenkte von links nach rechts und wieder zurück, wie eine Radarantenne, die nach potenziellen Bedrohungen suchte. Sie erinnerte sich daran, dass sie diese Wachsamkeit schon an ihm bemerkt hatte, als sie ihn einst an der Syracuse University anwarb. Kennedy schritt durch das Wohnzimmer in den Flur und gab einen Code auf dem Tastenfeld der Alarmanlage ein. Irgendwo hinter der Wand hörte sie das schwache Surren eines Elektromotors, der die Tür entriegelte.
    Kennedy öffnete die Haustür und sah sofort den verdutzten Ausdruck auf Dumonds Gesicht. »Was ist los?«, fragte sie.
    »Ich bin mir nicht sicher. In einer Minute weiß ich mehr.« Er trat in den Flur und tippte weiter auf seinem winzigen Laptop herum.
    Rapp schloss die Tür und küsste Kennedy auf die Wange. »Ist Tommy im Bett?«
    »Ja. Er hat morgen Schule.«
    Rapp zog den Mantel aus und reichte ihn Kennedy. Dumond war zu sehr in seinen Computer vertieft, um seine Jacke auszuziehen, und ging weiter den Flur entlang, immer dem Kaffeeduft nach. Rapp und Kennedy folgten ihm.
    »Möchte jemand Kaffee?«, fragte sie.
    »Ja, bitte«, antwortete Rapp und wandte sich Dumond zu, der nicht auf Kennedys Frage reagierte. »Hey, Traummännchen.«
    Dumond hob den Blick von dem winzigen Bildschirm. »Hmm?«, fragte er geistesabwesend.
    »Kaffee?«
    »Klar.«
    »Wie wär’s mit ›bitte‹?«, drängte Rapp.
    »Bitte«, fügte Dumond hinzu, ohne die Augen vom Bildschirm zu wenden. »Mit Sahne und Zucker.«
    Kennedy füllte zwei Tassen und holte die Sahne aus dem Kühlschrank. Eine Tasse reichte sie Rapp. »Also, was habt ihr herausgefunden?« Sie stellte die andere Tasse zusammen mit der Sahne und der Zuckerdose vor Dumond auf den Tisch.
    »Noch nichts wirklich Konkretes«, berichtete Rapp, »aber wir haben ein paar interessante Details. Anfang Oktober ist Garret für einen Tag in die Schweiz geflogen.«
    »Noch eine Oktober-Überraschung.« Kennedys Bemerkung bezog sich auf eine alte Verschwörungstheorie, der zufolge sich die Leute des Reagan-Lagers im Geheimen mit Angehörigen der iranischen Regierung getroffen hätten, um mit ihnen zu vereinbaren, die Befreiung von amerikanischen Geiseln bis nach der Wahl im Jahr 1980 hinauszuzögern, um den amtierenden Präsidenten Carter leichter besiegen zu können.
    »Alles, was wir haben, sind die Daten von Abflug und Rückkehr. Wir haben keine Ahnung, mit wem er sich getroffen hat. Er hat jedenfalls vor und nach der Reise öfter mit einer Bank in Genf telefoniert, aber auch hier wissen wir nicht, mit wem er gesprochen hat.«
    »E-Mails?«, fragte Kennedy.
    »Da arbeiten wir noch dran. Der Kerl hat mindestens sechs verschiedene Adressen, und er muss an die hundert Mails am Tag empfangen beziehungsweise senden.«
    »Was ist mit Ross?«
    »Er war letztes Wochenende in der Schweiz auf einem Umweltgipfel. Rivera hat mir eine Liste der Leute besorgt, mit denen er sich dort getroffen hat. Wir haben sie mit anderen Informationen verglichen, und dabei ist uns vor allem ein Name aufgefallen: Joseph Speyer.«
    »Sollte ich ihn kennen?«, fragte Kennedy stirnrunzelnd.
    »Nein, aber er ist zufällig der Direktor der Genfer Bank, die Garret im Oktober angerufen hat.«
    »Was wissen wir über die Bank?«
    Rapp zeigte auf Dumond. »Marcus kümmert sich darum. Offenbar handelt es sich um eines der ältesten und verschwiegensten Bankhäuser von Genf.«
    »Und dasjenige, in dessen System man mit Abstand am

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