Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
Vom Netzwerk:
Gazich. Rapp hatte es nicht unbedingt auf diejenigen unter ihnen abgesehen, die ihre Arbeit mit Präzision erledigten und keine Unschuldigen töteten. Bei Gazich war das anders. Für das, was er getan hatte, gab es keine Entschuldigung mehr. Er war kein bloßer Killer, er war ein Terrorist. Das hatte er bewiesen, indem er eine Autobombe in Georgetown hochgehen ließ und damit neunzehn Menschen tötete, weitere vierunddreißig schwer verletzte und das Leben von vielen anderen ruinierte. Und wer war in diesem Fall das Ziel des Anschlags? War es ein korrupter Waffenhändler, ein Drogendealer oder ein Förderer des Terrorismus? Nein, das Ziel waren zwei Politiker. Und welches Verbrechen hatten sie begangen? Riefen sie etwa dazu auf, den Islam und die arabische Welt zu vernichten? Forderten sie den Tod für alle Palästinenser? Nein. Sie hatten nichts Derartiges getan.
    Solche Dinge predigten vielmehr die Mullahs im Iran und in Saudi-Arabien. Tod den Vereinigten Staaten von Amerika, dem großen Satan. Nieder mit Israel. Wenn es nach ihnen ginge, sollte der zionistische Staat mit Atombomben ausradiert und die Ungläubigen ins Meer geworfen werden. Diese beiden liberalen Politiker hingegen predigten Toleranz und gegenseitiges Verständnis. Sie traten für einen unabhängigen Staat der Palästinenser und für religiöse Freiheit ein. Und was bekamen sie dafür? Sie wurden von irgendwelchen wahnsinnigen islamistischen Fanatikern wie Osama bin Laden zur Zielscheibe erkoren.
    Rapp erinnerte sich noch gut an die Wut, die in ihm hochkam, als er vor Monaten in seinem Hotelzimmer in Kalkutta von dem Anschlag erfahren hatte. Der Nachrichtensender zeigte Bilder von dem Krater, den die Autobombe hinterlassen hatte. Rapp war selbst tausendmal über diese Straße gefahren. Allein an der Größe des Lochs erkannte man, wie verheerend die Wirkung der Bombe gewesen sein musste. Es war ihm sofort klar gewesen, dass es viele Tote gegeben haben musste. Als Nächstes zeigte Sky News Bilder aus moslemischen Städten im Nahen und Mittleren Osten. Überall spielten sich die gleichen Szenen ab: junge Männer – auch hier keine Frauen – gingen auf die Straße, verbrannten das Sternenbanner, warfen Molotowcocktails auf die amerikanische Botschaft, setzten Autos in Brand und jubelten und tanzten. Sie feierten, dass der große Satan einen schweren Schlag erlitten hatte.
    Die Tatsache, dass so viele Leute so unverschämt einen derart barbarischen Akt feiern konnten, ließ Rapp mit einem Schlag in die Realität zurückkehren. Dieser Zusammenprall der Kulturen relativierte seine persönliche Tragödie und seinen Schmerz. Die Fernsehbilder, die er an jenem Abend in Kalkutta sah, führten ihm drastisch vor Augen, was auf dem Spiel stand. Solche Jubelszenen auf den Straßen sah man in Amerika höchstens, wenn Detroit den NBA-Titel gewann. Und dabei feierten die Leute nur den Sieg ihres Basketballteams, und nicht die willkürliche Auslöschung von Menschenleben.
    Der alte Mann hier würde überleben. Darin unterschied sich Rapp von Gazich. Er beseitigte nicht einfach unschuldige Menschen, nur weil sie ihm im Weg standen. Ja, Rapp war zur Rücksichtnahme fähig, doch er war auch imstande, Gewalt mit allergrößter Konsequenz einzusetzen. Gazich würde sterben. Aber vorher würde er ihm noch ein paar Dinge verraten.
    »Runter auf die Knie«, flüsterte Rapp.
    Er ließ die rechte Hand auf dem Mund des Mannes und das Messer an seiner Kehle, während der Alte sich zuerst auf ein Knie, dann auch auf das andere niederließ.
    »Ich nehme jetzt die Hand von deinem Mund weg«, flüsterte Rapp, »aber das Messer bleibt an deiner Kehle.« Rapp drückte die Messerspitze gegen die faltige Haut unter dem Adamsapfel des Mannes. Die Spitze durchdrang die beiden obersten Hautschichten, und ein Blutstropfen trat hervor.
    »Das hier ist dein Kehlkopf. Du hältst deinen Mund, bis ich dir sage, dass du ihn aufmachen sollst. Wenn ich sehe, dass sich deine Lippen bewegen, steche ich zu, und ich verspreche dir, dass du nichts mehr wirst sagen können. Nicke mit dem Kopf, wenn du mich verstanden hast.«
    Der Alte nickte, und Rapp nahm den Druck des Messers ein wenig zurück.
    Rapp spürte, wie der Mann schwer durch die Nase atmete. »Hör zu, ich werde dich nicht töten, außer du gibst mir einen Grund dazu. Entspann dich und atme ein paarmal durch.«
    Rapp ließ das Messer an seiner Kehle und zog aus einer der Taschen in der Schürze des Mannes ein Tuch hervor. Er betrachtete es

Weitere Kostenlose Bücher