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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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und formte das eine Ende zu einem Knäuel.
    »Mach den Mund weit auf«, flüsterte er.
    Der alte Mann befolgte die Aufforderung, und Rapp stopfte ihm ein Drittel des Tuches in den Mund. Dann forderte er den Mann auf, sich flach auf den Bauch zu legen. Er schnitt die langen Bänder der Schürze ab und band damit Hände und Füße des Mannes zusammen. Dann steckte er das Messer in den Gürtel zurück und zog die Pistole.
    Rapp zeigte dem Alten die Waffe und flüsterte: »Ein Laut, und ich erschieße dich. Versuche ja nicht, mit den Füßen an die Wand zu klopfen oder dich umzudrehen – sonst bist du ein toter Mann. Hast du mich verstanden?«
    Der alte Mann nickte.
    »Wie viele Leute sind im Büro? Blinzle mir die Antwort mit den Augen.«
    Die Augenlider des Mannes gingen zweimal auf und zu.
    »Deckas und der dicke Russe?«
    Der Alte nickte mit dem Kopf.
    »Verhört Deckas den Russen?«
    Erneut nickte er.
    »Also gut, du wartest hier«, sagte Rapp und tätschelte dem Alten den Kopf. »Das Ganze ist in einer Minute vorbei.«
    Er sprang auf und schlich die Wand entlang. Gazich hatte bestimmt einen Schalldämpfer benutzt. Wahrscheinlich Neun-Millimeter-Unterschallprojektile, die die Wand sicher nicht durchdringen konnten. Rapp versuchte sich erneut vorzustellen, wie es in dem Büro aussah. Der Schreibtisch stand wohl auf der linken Seite, und rechts ein paar Sessel oder eine Couch. Gazich stand wahrscheinlich, und das bedeutete, dass er kaum Deckung hatte. Der Russe würde kein Problem darstellen. Er war entweder durch einen Schuss bewegungsunfähig oder gefesselt. Wenn Gazich ihn verhörte, hatte er wahrscheinlich von der Pistole zum Messer gewechselt. Mit dieser Waffe hatte man mehr Möglichkeiten, jemandem Informationen zu entlocken.
    Rapp blieb einen Schritt vor der Tür stehen. Sein Plan stand fest; er würde blitzschnell zuschlagen. Eins, zwei, drei, vier. Er lauschte einige Augenblicke. Es klang so, als würde Gazich den anderen etwas fragen. Der Russe flehte ihn in gebrochenem Englisch an, mit einer Stimme, die viel lauter als die von Gazich und voller Angst war. Rapp nahm das als gutes Zeichen.
    Er streckte die rechte Hand nach dem Türknopf aus und wartete eine Sekunde. Als er hörte, wie Gazich zu sprechen begann, drehte er den alten Messingknopf und stieß die Tür mit einigem Schwung auf. Er war sich zu neunzig Prozent sicher, dass Gazich rechts von ihm stand, aber er musste sich trotzdem zuerst vergewissern, dass der Mann nicht doch auf der linken Seite war. Rapp drückte sich an den Türrahmen, als seine linke Hand mit der Pistole in der offenen Tür auftauchte. Als die Tür etwa neunzig Grad weit offen war, sah Rapp die Kante des Schreibtischs genau an der erwarteten Stelle. Er riss die Waffe hoch und richtete sie geradeaus. Die Tür ging weiter auf; Rapp sah den leeren Schreibtisch und schwang die Pistole nach rechts. Gleichzeitig verlagerte er sein Gewicht nach links, blieb aber nahe am Türrahmen und beugte sich gerade weit genug vor, dass er mit dem linken Auge fast die gesamte rechte Seite des Raumes sehen konnte, während nur ein kleiner Teil seines Körpers ungedeckt war.
    Gazich trat als Erster in sein Blickfeld. Er hatte Rapp die Seite zugewandt, während der Russe direkt vor ihm auf einem Sessel saß. Rapp ließ den Russen zunächst völlig außer Acht – sein Blick war ausschließlich auf Gazich gerichtet, während seine Pistole ihr Ziel noch nicht ganz fixiert hatte. Er hörte, wie die Tür gegen irgendetwas krachte, als sein Blick auf Gazichs Hände fiel. Der Bosnier drehte sich zu ihm herum, die Hände immer noch an der Seite. Er hatte offensichtlich den Alten erwartet. Irgendwo im Hinterkopf registrierte Rapp, dass die Tür nicht volle hundertachtzig Grad weit aufgegangen war – also musste sie gegen ein Bücherregal oder ein anderes Möbelstück geprallt sein. Rapps Blick fiel auf das schwarze Metall einer Pistole mit langem Schalldämpfer an Gazichs ausgeblichener Hose. Rapps Arme senkten sich augenblicklich, sodass seine Waffe auf die andere gerichtet war. Eine Zehntelsekunde später drückte er den Abzug und feuerte den ersten Schuss ab.
    Gazich stand höchstens vier Meter von ihm entfernt. Die Kugel traf ihn im rechten Handrücken, durchdrang Fleisch und Sehnen und traf auf den Knochen. Seine Hand krümmte sich für eine Millisekunde, dann öffnete sie sich wie eine Klammer mit gebrochener Feder. Es waren Bewegungen, die nicht vom Gehirn gesteuert wurden – es war ganz einfach

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