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Der Verrat Der Drachen: Roman

Titel: Der Verrat Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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behalten. Vielleicht würde er danach den Stein in seinen Palast bringen, um ihn in Reichweite zu halten, für alle Fälle. Er hielt eine Hand darüber, spürte, wie die Wärme seiner Energie ihn erfüllte. Er hatte so lange ohne den Stein gelitten, hatte sich danach gesehnt – warum also fühlte er sich jetzt, da er ihn hatte, immer noch nicht vollständig?
    Er zog die Hand weg und starrte ins schwarze Licht des Steins, lauschte ihm. Wieder hier zu sein, während draußen sanfter Regen fiel und der Pharonvogel rief, erinnerte ihn an lange vergangene Zeiten, Dinge, an die er, wie er wusste, nicht hätte denken sollen, zu denen seine Erinnerungen aber trotz seines Vorsatzes wieder zurückkehrten. Die Leere der Sehnsucht sang in ihm, und er flüsterte ihren Namen: Niobe.
    Ein sterbliches Mädchen, dunkelhaarig, geschmeidig wie der Fluss. Sie war so jung gewesen – und doch war im Vergleich zu heute auch er jung gewesen. Er erinnerte sich an ihr Flüstern, als ihre Finger über seine Haut geglitten waren, daran, ihren Geruch einzuatmen, an den Schwung ihrer Taille. Aber sie war nicht mehr da, und die eine, die seinen Schmerz hätte lindern können, war nicht hier. Er hatte zugelassen, dass sie ihm entkam.
    Shaan.
    Niobe.
    Er schloss die Augen und sah wieder einmal die hellen, cremefarbenen Balkons des Palasts am Fluss vor sich, die Sonne, die damals strahlender schien und auf den strudelnden, purzelnden Wellen funkelte, die das durchs Wasser gestakte Boot verursachte … Er roch den Blütenduft in der Luft und hörte Fortuse rufen. Ihr Haar glänzte rotgolden im Sonnenlicht, und damals lag Liebe in ihrer Stimme. Keine Enttäuschung, keine Verachtung.
    Du darfst keine Sterbliche lieben, Bruder .
    Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten. Er erinnerte sich noch immer an den Klang von Niobes Schreien.
    Paretim, Fortuse, Epherin, Vail: Dieb, Peinigerin, Verräter, Henker.
    Sie hatten ihm beigebracht, was der Tod bedeutete. Azoth zwang die Augen auf und starrte den Stein an. Sie hatten es büßen müssen. Waren zur Buße gestorben und würden wieder sterben. Es war immer dasselbe.
    Erschöpfung zerrte an ihm. Wie lange schon war er allein?
    Er lauschte der Leere der Stadt ringsum. Es waren andere in der Nähe: Drachen, Alhanti und Sklaven kauerten vor dem Palast, aber keiner von ihnen konnte seinen Schmerz auch nur annähernd lindern. Zu lange hatte er dem Klang der Stille gelauscht. Wie fühlte es sich an, geliebt zu werden? Er konnte sich nicht daran erinnern.
    Azoth holte tief Luft und befahl sich selbst, sich zu entspannen; er verlangsamte seinen Herzschlag, verfolgte seine Atmung und spürte das betörende Summen des Steins, als dieser nach seinem Innersten suchte. Die Nacht senkte sich herab; Shaan würde bald schlafen, und er würde im lautlosen Dunkel zu ihr reisen. Ihr einen Traum schicken, im Traum bei ihr sein. Er hatte ihr das letzte Mal Furcht geschickt, und sie hatte gegen ihn angekämpft; was würde geschehen, wenn er ihr jetzt Liebe sandte?

8

    S haan war zu Nilah bestellt worden, aber sie wollte nicht hingehen. Sie lag im Bett, ignorierte das Klopfen an ihrer Tür und lauschte dem Regen. In einer Vase auf ihrem Nachttisch erzitterte eine einzelne Orchidee, als eine Brise durchs offene Fenster hereinwehte. Die Blume war das zweite Geschenk von Balkis binnen zwei Tagen. Das erste war eine Phiole mit Namoi-Parfüm gewesen; das Glas war so fein geschliffen, dass es Prismen grünen Lichts ins ganze Zimmer reflektierte.
    Doch waren es nicht Balkis’ Geschenke, die Shaan verstörten. Irgendetwas war mit Tallis geschehen. Es hatte sie nach Mitternacht geweckt, ein so starker Energiefluss, dass er sie aus ihren Träumen gerissen hatte, und sie hatte gespürt, wie Tallis vor einer Kraft übergequollen war, die weit stärker war als die, über die er bisher verfügt hatte. Es hatte ihr große Angst eingeflößt. Was war ihm dort draußen in jenem abgeschiedenen Dorf zugestoßen?
    Sie wälzte sich auf die Seite, starrte den Fußboden an und wünschte sich, Tuon wäre zurück. Sie machte sich nicht allein Sorgen um Tallis; der Traum, aus dem er sie gerissen hatte, hatte sich wieder einmal um Azoth gedreht, und sie sehnte sich nach einer Freundin, der sie sich hätte anvertrauen können.
    Die Einzelheiten konnte sie nicht erfassen, wusste aber, dass der Traum lebhaft gewesen war. Sie erinnerte sich vage an einen sonnenbeschienenen Fluss, ein Gebäude aus hellem Stein, das Gefühl, dass Azoth ihr die Arme um die

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