Der Verrat Der Drachen: Roman
eigene Feigheit. Seit wann hatte sie denn Angst vor Männern? Sie hatte sich in der Vergangenheit oft genug an welche herangemacht … Nur, Balkis war nicht wie die anderen Männer, die sie kannte.
Sie ließ den Vorhang fallen, stieg aus und ging zur Tempeltür.
Er wandte sich um und sah sie. »Shaan«, rief er. »Ich habe auf dich gewartet.« Der Stallbursche entfernte sich eilig, als sie kurz vor dem Brunnen stehen blieb.
»Habe ich nicht gesagt, dass du mich hier nicht besuchen kannst?«, fragte sie. Es klang gröber, als sie es beabsichtigt hatte, aber sein Lächeln ließ nicht nach.
»Hast du das? Ich erinnere mich nicht daran. Hast du meine Geschenke erhalten?«
Die Reiterkluft war nicht mehr da. Er trug eine andere Uniform, eine, die sehr der der Glaubenstreuen ähnelte: schwarze Hosen und eine schwarze Lederweste. Ein Abzeichen – ein Drache, der sich um ein Schwert ringelte – war mit Goldfaden auf die linke Brustseite genäht. Seine gebräunten, muskulösen Arme waren nackt. Es stand ihm verdammt gut.
»Balkis«, sagte sie.
»Shaan.« Er stützte die Hände auf den Schwertgürtel.
»Hör auf damit.« Sie runzelte die Stirn.
»Hat dir das Parfüm gefallen? Grün ist doch eine deiner Lieblingsfarben, nicht wahr?«
»Ich benutze kein Parfüm.«
»Doch, natürlich tust du das.« Er trat einen Schritt näher heran. »Und hör auf, so zu tun, als ob es dich nicht freut, mich zu sehen.«
»Ich freue mich nicht.«
»Tust du doch, du kannst gar nicht anders. Ich bin hübsch und liebenswert.«
Sie seufzte. »Kriegst du so all deine Frauen herum? Laugst du sie mit dieser ermüdenden Hartnäckigkeit aus?«
»Natürlich.« Er zog die Augenbrauen in gespielter Verwirrung zusammen. »Dann fessele ich sie und werfe sie auf meinen Karren. Ich habe schon drei zu Hause; würdest du sie gern kennen lernen?«
Shaan konnte nicht anders, als über seine Dreistigkeit zu lächeln. »Nein.«
»Bist du dir sicher?« Seine Stimme war leiser geworden, und er trat noch näher an sie heran, streckte die Hand aus, um ihr Handgelenk leicht zu umfassen. Seine Berührung war warm und sanft, der Blick seiner Augen einladend. Ihr Puls klopfte ihr heftig am Hals, und ihr Magen fühlte sich plötzlich leicht an.
»Nicht jetzt.« Sie entzog ihm ihr Handgelenk und versuchte, zur Tür zu gehen.
Er bewegte sich schnell und verstellte ihr den Weg. »Warum nicht?«
»Ich bin beschäftigt, ich muss packen.« Sie wich nach rechts aus und versuchte, an ihm vorbeizukommen.
»Packen?« Er hielt sie auf. »Warum? Wohin gehst du?«
»In den Palast.«
»Warum?«
»Balkis.« Sie zwang sich, keine Gefühlsregung zu zeigen. »Lass mich vorbei.«
»Nicht, bevor du mir gesagt hast, was vorgeht.«
»Warum sollte ich?«
»Weil Liebende keine Geheimnisse voreinander haben sollten.« Er griff nach ihrer Hand, und Wärme erfüllte sie, als hätte sie zu viel Wein getrunken.
»Wir sind keine Liebenden«, sagte sie zu laut, und er lächelte und strich mit dem Daumen über ihre Handfläche.
»Noch nicht.«
Sie versuchte, ihm die Hand zu entziehen, aber er verstärkte seinen Griff. »Gib zu, dass dir das gefällt«, sagte er und streichelte wiederholt ihre Handfläche. Ihr stockte der Atem, und er lächelte, aber sein Blick war zu eindringlich, und um ihn abzulenken, sagte sie: »Warum trägst du diese Kleidung und das Abzeichen da?«
Er hörte auf, ihr die Hand zu streicheln, und warf einen Blick auf seine Weste. »Rorc hat mich befördert. Ich bin jetzt Marschall der Armeen, sein Stellvertreter.«
Shaan musterte den Goldfaden, den sich aufbäumenden Drachenkopf. »Für den nahenden Krieg?«
»Ja.«
Endlich nahm jemand die Bedrohung, die Azoth darstellte, ernst. Ihr Herz pochte vor plötzlicher Furcht, und das angenehme Kribbeln, das Balkis verursacht hatte, verflog, als sie die Last der kommenden Zerstörung auf sich einstürzen fühlte. Wenn sie nur nicht nach dem Schöpferstein gegriffen hätte! Eine Vorahnung schnappte nach ihren Fersen, und ein Bild aus ihrem Traum kehrte wieder – Azoths Hand, die ihr Fleisch streichelte, seine Augen, die so hell wie der Goldfaden des Drachens funkelten.
»Shaan?« Balkis‘ Ruf ließ sie zusammenzucken; es war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie vor sich hin gestarrt hatte und nun seine Hand zu fest umklammerte.
Sie ließ ihn los und trat zurück. »Es geht mir gut.« Sie wich seinem Blick aus. »Ich muss hineingehen. Nilah wartet auf mich.«
»Die Führerin?«
»Sie hat mir eine Stelle
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