Der Verrat: Thriller (German Edition)
In seinen Augen war Simon Graham nicht mehr als ein weiterer Rivale in Bezug auf Scarletts Aufmerksamkeit. Von ihm zu stehlen, das wäre, wie wenn ein Hund an einen Laternenpfahl pinkelt. Ich glaube, Joshu steckte sein Territorium ab. Zeigte Simon, wer der Boss ist. Es ist wirklich erschütternd. Ein bisschen Macho-Gehabe, und so endet es.« Mein Magen knurrte plötzlich so laut wie rumpelnde Wagenräder auf einem Feldweg. Das kommt davon, wenn man den ganzen Tag nichts isst. Ich strich mir das Haar aus dem Gesicht und erhob mich. »Möchten Sie etwas essen? Ich habe gerade gemerkt, dass ich einen Riesenhunger habe. Ich mache mir ein Sandwich – möchten Sie auch eins?«
Erstaunt kratzte er sich am Kopf. »Ja, warum nicht?«
Ich suchte im Kühlschrank herum und beantwortete dabei die ganze Zeit anscheinend müßige Fragen über Joshu und Scarlett. Schließlich servierte ich uns zwei Wraps mit Geflügelsalat und Caesar-Dressing. »Nicht sehr aufregend, leider. Die Haute Cuisine ist hier nicht zu Hause.«
Er lachte leise. »Das kann ich mir vorstellen.«
»Aber wir haben eine sehr schöne Speisekarten-Sammlung verschiedener Restaurants mit Lieferservice.«
»Dachten Sie, dass Joshu und Scarlett jemals wieder zusammenkommen würden?«, fragte er, an seinem Sandwich kauend.
»Auf keinen Fall«, antwortete ich. »Sie liebte ihn, aber sie wusste, dass sie besser dran war ohne ihn. Dass sie Krebs bekam, hat ihre Einstellung zum Leben über den Haufen geworfen. Sie ordnete ihre Prioritäten neu, und schlechte Beziehungen waren Nummer eins auf der Liste der Dinge, die sie nicht mehr haben wollte. Sie hat kein einziges Date gehabt seit der Scheidung, geschweige denn, seit sie die Diagnose bekam.«
Er hob mit einem höflichen Ausdruck des Zweifels die Augenbrauen. »Aber nicht nach dem, was in der Regenbogenpresse steht«, sagte er.
Plötzlich erfasste mich Entsetzen. Ich hatte nicht aufgepasst und etwas ganz, ganz Dummes gesagt. Das in den Zeitungen war nicht Scarlett gewesen. Es war natürlich Leanne gewesen, die eine Schau abzog. War ich so erbärmlich, dass ein freundlicher, attraktiver Mann meine sorgfältig errichteten Schutzwälle auseinandernehmen konnte, als wären sie aus Papier? »Nicht alles in der Boulevardpresse ist wahr«, gab ich hastig zurück. »Es gehört zu ihrem Beruf, ihren Namen in den Boulevardzeitungen zu haben.«
Er sah leicht verächtlich drein. »Na, ich nehme an.«
Ich versuchte, meine Erleichterung zu verbergen, dass ich offenbar damit durchgekommen war. Und es schien, dass Nick die Fragen ausgegangen waren. Also ergriff ich meine Chance. »Wie sind Sie Polizist geworden?«
»Ich habe Psychologie studiert. Und ich wollte nicht das werden, was Leute mit einem Abschluss in Psychologie normalerweise machen. Der Gedanke, bei der Kripo zu sein, interessierte mich, aber ich wusste nicht, ob ich den Einstieg bewältigen konnte. Ich meldete mich, ohne zu wissen, ob ich es bringen würde.« Er grinste und zuckte mit den Schultern. »So weit, so gut.« Er aß sein Sandwich zu Ende und stand auf. »Danke für das Essen. Und danke, dass Sie mir geholfen haben, die Vorgeschichte zu ergänzen.«
»Es war doch ein Unfall, oder? Sie meinen doch nicht, dass es Absicht war?«
»Das kann ich nicht sagen. Ich sammle nur die Informationen und lege sie meinem Chef vor.«
»Nicht mal eine Andeutung?«
Sein Blick schweifte nach rechts und links. »Nicht mal eine Andeutung. Tut mir leid. Ich hoffe, dem Kind geht es gut. Es ist schwer, den Vater zu verlieren, wenn man noch so klein ist.«
Ich war gerührt von seiner Besorgnis. Aber als er wegfuhr, wünschte ich auf einmal, dass Joshus Tod kein ganz so klarer Fall wäre. Ich weiß, dass es ein beschissener Gedanke war, aber ich wünschte wirklich, ich hätte einen Vorwand, Nick Nicolaides wiederzusehen.
37
I n der kühlen Nachtluft stand Nick vor Asmita Patels Wohnung an seinen Wagen gelehnt. Die leichte Brise trug einen Anflug von Currygewürzen von einem Restaurant nebenan und das ständige Summen des Londoner Verkehrs heran. Er dachte daran, sich etwas zu essen zu holen, aber er war zu kribbelig dafür. Er könnte nach Hause fahren, eine Gitarre nehmen und spielen, bis seine Finger müde wurden. Aber das würde Stephanie und Jimmy nicht helfen. Vielleicht konnte er etwas Nützliches zu tun finden, wenn er ins Büro zurückging.
Die Deckenbeleuchtung im Einsatzzentrum war abgeschaltet, aber ein paar Lichtkegel zeigten, wo Kollegen noch so spät
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