Der Verrat: Thriller (German Edition)
weshalb ich ihn ausgewählt habe. Das und sein Ruf, ehrlich zu sein. Machen wir uns doch nichts vor: Wenn man angeblich blöd ist, muss man verdammt sicher sein, sich für einen Agenten zu entscheiden, der einen betreut, statt einen abzuzocken.«
Ich musste zugeben, dass sie es gut hingekriegt hatte. »Aber bekommst du es nicht satt? Dich immer zu verstellen?«
»Manchmal schon. Schwanger zu sein, das ist ein großer Vorteil für mich. Ich war total ausgepowert von dem viermal die Woche auf Sauftourgehen. Aber jetzt wird von mir erwartet, ein gutes Beispiel abzugeben und zu Hause zu bleiben. Früh zu Bett, nicht mehr rauchen oder trinken. Weil, du weißt ja, da draußen gibt es eine ganze Medienmeute, die würde viel drum geben, mich dabei zu erwischen, dass ich eine beschissene werdende Mutter bin. Du hast ja keine Ahnung, wie das ist. Jedes Mal, wenn ich aus dem Haus gehe, sitzen sie mir im Nacken. Ich gehe zum Supermarkt, auch da fallen sie über mich her, sie knipsen meine Einkäufe. Ich gehe zum Lunch und rede mit dem Parkwächter, da stürzen sie sich auf ihn und fragen, was ich gesagt habe. Ich habe keine verdammte Privatsphäre, außer wenn ich hier bin, hinter diesen Wänden. Sie warten alle darauf, dass ich im sechsten Schwangerschaftsmonat vor einem Nachtclub auf den Hintern falle. Und von dieser Schlagzeile würde ich mich nie mehr erholen. Also muss ich dem armen Joshu ein trauriges Gesicht zeigen und ihm sagen, ich kann nicht mitkommen und ihm bei seinen geilen Touren überall in der Stadt zusehen.«
»Geile Touren?«
Sie lachte. »DJ-Jargon für ein Set. Er nimmt das alles tatsächlich ernst, meine Güte. Hinter dem Haus hat er ein kleines Studio, wo er ganze Tage verbringt und Zeug in der richtigen Reihenfolge zusammenstellt. Er hat wirklich Erfolg, weißt du. Und inzwischen bekommt er Spitzengigs.«
»Was etwas damit zu tun haben könnte, dass er dein Freund ist.«
Scarlett warf mir einen finsteren Blick zu. »Das hat vielleicht seinen Bekanntheitsgrad erhöht, aber er ist wirklich gut, musst du wissen.«
»Selbst wenn er total weggetreten ist?« Das war ein kleiner Test unserer noch jungen Freundschaft.
»Was meinst du damit?« Jetzt kam die alte wehrhafte Scarlett wieder zum Vorschein.
»Fast immer, wenn ich ihn gesehen habe, war Joshu high. Du hast zu viel Zeit mit Leuten verbracht, die trinken und Drogen nehmen, deshalb siehst du das überhaupt nicht.«
»Er nimmt Drogen, ja. Das macht ihn aber nicht zum Junkie. Er hat gern Spaß. Das heißt nicht, dass er süchtig ist.«
Es war weder die richtige Zeit noch der rechte Ort, um Scarlett darauf hinzuweisen, dass ich Joshu niemals auch nur in die Nähe meines Kindes lassen würde mit seinen Drogen und seinen nachgemachten Pistolen. Aber ich hatte meine Meinung geäußert. Wenn wir befreundet sein wollten, war es ganz gut, dass ich meine Einwände eher früher als später offenlegte. Zumindest wusste Scarlett nun, sie konnte damit rechnen, dass ich ihr gegenüber ehrlich war, selbst wenn ihr das nicht gefiel, was ich zu sagen hatte.
Dieser Tag bedeutete eine Wende für uns. Ich wünschte nur, ich hätte den vor uns liegenden Weg klarer sehen können.
11
W enn ich die Interviews fertig habe, sehe ich meine Kunden gewöhnlich nicht mehr, bis der erste Entwurf des Buches vorliegt. Wenn ich Fragen habe, schicke ich E-Mails oder rufe sie an. Mit Scarlett war es aber anders. Fünf Tage nachdem wir die Gespräche hinter uns hatten, schickte sie mir eine SMS, dass sie in der Stadt sei und ob sie bei mir vorbeikommen könne?
Ich gestatte meinen Kunden niemals Zutritt in mein Privatleben. Sie kennen meine Adresse nicht und kommen nicht zu mir nach Hause. Es sind Leute, mit denen ich beruflich bekannt bin, und sie bleiben in meinem berufsmäßigen Wirkungsbereich. Aber Scarlett hatte schließlich ihre Abwehr gelockert, damit ich ihr näherkommen konnte. Diesen Gefallen sollte ich doch zumindest erwidern. Also gab ich ihr per SMS die Adresse und stellte eine Flasche Mineralwasser in den Kühlschrank.
Sie fuhr in dem roten Mazda Cabrio vor. Mein Haus steht am Ende einer rußgeschwärzten Reihe gelber Backsteinhäuser, in einer Gegend, die gerade noch als Hackney durchgehen kann. Das Auto fiel auf wie eine saure Gurke auf einer Cremetorte. Aber Scarlett war so klug, ihre Haare unter einem Schlauchschal und die Augen hinter einer dunklen Brille zu verstecken. Keine große, unverschämt auffällige Sonnenbrille, sondern eine schlichte, die ihr Gesicht
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