Der Verrat: Thriller (German Edition)
furchtbar. Sie wird eine Narbe haben?«
»Herrgott noch mal, Joshu. Sie hat mehr als die Hälfte ihres Blutes verloren. Sie dachten, sie müssten ihr eine Bluttransfusion machen. Ich glaube, eine Narbe war da die geringste Sorge, ehrlich gesagt.«
Er nickte mir versöhnlich zu. »Na ja, das heißt ja wahrscheinlich, dass sie da unten okay sein wird. Also noch straff und so.«
Ich schloss einen Augenblick die Augen und fragte mich, ob ich ihm einfach meinen Kaffee über den Kopf schütten sollte. Aber dann rief ich mir ins Gedächtnis zurück, dass er Jimmys Vater und Scarletts Mann war und dass es von Vorteil wäre, wenn er als Besucher ins Krankenhaus käme statt als Patient. »Das herauszufinden wirst du einige Zeit keine Gelegenheit haben, du egoistischer Sack. Sie hatte einen größeren chirurgischen Eingriff im Unterleib, Joshu. Du wirst ihr monatelang beistehen müssen.«
Nervös stieß er ein kurzes Lachen aus. »Das glaub ich nicht. Georgie kann jemanden suchen, der sich um sie und das Kind kümmert, oder? Deshalb bezahlen wir ihn doch, verdammt noch mal.« Er grinste wieder, und ich erhaschte einen Blick auf den schurkenhaften Charme, dem Scarlett erlegen war. »Ich hab einen Sohn.« Dann runzelte er die Stirn. »Warte mal. Hast du gesagt, sie hat ihn Jimmy genannt?«
»Stimmt.«
»Nein, das passt gar nicht. Jimmy Patel? Was is ’n das für ’n Name?«
In Wahrheit würde es Jimmy Higgins sein. Aber ich fand, diese Offenbarung sollte ich Scarlett überlassen. »Das ist der Name, den sie ihm geben will. Und da du nicht da warst, als er ankam, schätze ich, dass du dein Recht verwirkt hast, dabei mitzureden.«
»Jimmy – verdammt!«, sagte er, drehte sich um und drückte seine Zigarette aus. »Ich werde dabei schon was zu sagen haben. Ich nehm jetzt eine Dusche, dann fahr ich rüber, um meinen Sohn zu sehen. Und er wird nicht viel länger Jimmy heißen, da kannst du Gift drauf nehmen.« Und mit herausgedrückter Brust verschwand er wie ein aufgeplusterter Gockel.
Der Kaffee in meinem Mund war bitter und stark. Um richtig schmecken zu können, war ich zu müde. Ich wusste, dass es verrückt wäre, nach Hackney zurückzufahren, nur um ein paar Stunden später zurückzukehren und Scarlett und Jimmy zu besuchen. Joshu würde verschwinden, um zum Krankenhaus zu fahren. Und es gab ein schönes Gästezimmer am Flur. Dieser Versuchung konnte ich nicht widerstehen.
15
A ls Vivian gehört hatte, wie Stephanie Joshus Reaktion auf die Geburt seines Sohnes beschrieb, konnte sie den Gedanken nur schwer von sich weisen, dass er den Jungen als sein Eigentum betrachtete. Ein Mann mit dieser Einstellung war in einem solchen Fall der logische Verdächtige. Die überwältigende Mehrzahl entführter Kinder wurde im Auftrag des Elternteils verschleppt, der nicht das Sorgerecht hatte. In einem Fall wie diesem hier, in dem die Person, in deren Obhut der Junge sich befand, nicht einmal verwandt war, musste sich das Interesse offensichtlich auf den Vater konzentrieren.
»Sie meinen, Sie wüssten, wo Joshu ist?«, fragte Vivian. »Ich muss Ihnen sagen, es klingt, als sei er derjenige mit dem stärksten Interesse, Ihnen Jimmy wegzunehmen. Sind Sie sicher, dass er dort ist, wo Sie ihn vermuten, und nicht hier in den Staaten?«
Stephanie schien belustigt. »Er ist auf keinen Fall in den USA. Er ist …«
»Vielleicht nicht. Aber hat er die Mittel, Leute zu beauftragen, die Jimmy entführen und ihm den Jungen zuführen könnten?«
»Nein. Wenn Sie mich zu Ende bringen lassen würden, was ich gerade sagen … Außer wenn bei mir eingebrochen wurde, ist Joshu genau dort, wo ich ihn zuletzt gesehen habe. In einer Urne auf meinem Kaminsims. Joshu ist tot, Ms McKuras. Seine und Scarletts Asche stehen in meinem Wohnzimmer wie Buchstützen auf dem Kaminsims. Jimmy sagt jeden Tag zu ihnen Guten Morgen und Gute Nacht.«
Vivian kam es vor, als sei sie reingelegt worden. Das Blut stieg ihr in die Wangen, und sie trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch. Am liebsten hätte sie Stephanie angeschrien, aber das war keine Alternative, solange die Frau noch eine mögliche Informationsquelle für die Entführung bedeutete. »Was ist ihm zugestoßen?«
»Wie alles andere, das mit Scarlett und Jimmy zu tun hatte, ist es eine lange Geschichte.«
Diesmal wollte sich Vivian aber nicht durch eine Geschichte verführen lassen. Stephanie Harker war eine blendende Erzählerin, so gut, dass Vivian riskierte, den Zeitdruck bei der Suche
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