Der Verrat: Thriller (German Edition)
dass sie mich für sich hatte.
Leanne machte Kaffee und suchte im Schrank nach Keksen. »Ich bin froh, dass du vorbeigekommen bist«, sagte sie. Schließlich brachte sie eine Packung Biovollkornkekse in der Form von Lebkuchenmännchen an. »Jimmy ist ganz versessen auf die. Willst du einen?« Sie schien es zu bezweifeln. »Jimmy mag sie sehr.«
»Schon gut«, sagte ich. »Wie geht’s denn so?«
»Na ja, das ist es ja grade«, antwortete sie und setzte sich mit dem Gesichtsausdruck einer Frau zurecht, die viel zu offenbaren und auch schon viele Geheimnisse preisgegeben hat. »Oberflächlich betrachtet ist alles in bester Ordnung. Ich komme in die Zeitungen, Scarlett kriegt ihren Schönheitsschlaf, und niemand hat den leisesten Verdacht.«
»Aber …? Ich höre da doch ein ›aber‹ heraus.«
Leanne spielte am Griff ihres Bechers herum. »Können wir rausgehen? Ich brauch unbedingt ’ne Zigarette, und Scarlett mag es nicht, wenn wir im Haus rauchen. Wegen Jimmy, weißt du?«
Ich folgte ihr in den Garten hinaus. Das schwache Sonnenlicht ließ uns beide anämisch aussehen, und die Sonne hatte keine wärmende Kraft. Aber es war besser, als drinnen mit Leannes Zigarettenrauch eingeschlossen zu sein. Wir setzten uns auf zwei geschwungene Holzbänke, von wo man auf einen Teich mit gelangweilten Goldfischen sah, die zwischen den Wasserlilien herumhingen. Ich fragte mich, ob der Teich eingezäunt sein sollte, jetzt, wo Jimmy laufen konnte.
»Joshu kümmert sich nicht darum«, fuhr Leanne fort. »Er raucht, was immer er will, wann immer er will. Und Scarlett lässt es ihm durchgehen. Sie verwöhnt Joshu mehr als Jimmy.«
»Vielleicht, weil Jimmy noch klein genug ist, um lernen zu können.«
Leanne sah mich mit zusammengekniffenen Augen durch den Rauch an. »Du findest Joshu nicht so toll, oder?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Er wäre niemand, den ich als Lebenspartner wählen würde. Aber Scarlett sieht offenbar etwas in ihm, das mir entgeht.«
Leanne zog schwach an ihrer Zigarette, als sei es ihr nicht ernst damit. »Das ist auch so ungefähr mein Problem«, sagte sie.
»Versucht er, dich anzumachen?« Das war kein Erfolg.
»Nein. Das würd er sich nicht trauen. Ich hab das von Anfang an ganz klargemacht. Als Scarlett damals die Idee hatte, haben wir uns alle hingesetzt und darüber geredet. Wir halten mal Händchen und küssen uns für die Kameras. Aber ich hab ihm gesagt, sonst nichts, keine Zungenküsse, keine Hände, wo sie nicht hingehören, sonst schneid ich ihm den Schwanz ab. Und Scarlett sagte, sie würde sich seine Eier als Halskette umhängen. Wenn sie dann doch mal auf den Tisch haut, kann sie ganz schön böse werden.«
»Er ist also ein braver Junge gewesen?«
»Bei mir ja.« Sie warf ihre halb gerauchte Zigarette weg und trat sie aus. »Das Problem ist, ich bin ja nicht die einzige Frau dort, wenn du verstehst, worauf ich hinauswill?«
Einen Moment schloss ich die Augen. Ich verstand, was sie meinte, nur allzu gut. Was ich wissen wollte, war, wie schlimm es war. »Sag mir, was du weißt. Und dann werden wir austüfteln, was man am besten macht«, sagte ich.
Leanne schien sehr erleichtert. Zwar sah sie ihrer Cousine auf gespenstische Weise ähnlich, aber sie hatte nichts von der inneren Härte und Stärke, die Scarlett aus dem Elend herausgeholfen und sie in die Glitzerwelt hatten aufsteigen lassen. Sie wollte die Verantwortung für das, was sie wusste, von sich schieben, und ich war der Einfaltspinsel, der glücklicherweise zufällig des Weges kam. »Wenn wir ausgehen, sind wir immer im VIP-Bereich, ja? Man sieht immer wieder die gleichen Gesichter. Viele sind totale Nutten, die es zu Geld bringen wollen. Ein- oder zweimal hab ich mitbekommen, wie Frauen zu Joshu herüberkommen wollten, mich dann sahen und weggingen. Ich dachte, es wäre so, weil sie bemerkten, dass ich dabei war und ihnen klarwurde, dass er in festen Händen ist. Dann kapierte ich langsam, dass sie unmöglich nicht wissen konnten, dass er in festen Händen ist, wenn du weißt, was ich meine.«
Ich nickte. Frauen dieses Typs lesen die Boulevardblätter und die Klatschpresse so gewissenhaft wie eine Nonne ihr Messbuch. Das ist ihr Ratgeber, der ihnen sagt, wer in ist und wer out, wer Single und wer vergeben, wer total erledigt ist und bei wem sich noch ein Versuch lohnt. Sie hatten also alles über die Hochzeit und das Baby und das Spielchen der glücklichen Familie gelesen, das auf der Hazienda gespielt wurde. Sie
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