Der Verrat: Thriller (German Edition)
rührte mit dem Löffel im Essen, als erwarte sie, dass es zu selbständigem Leben erwachen könnte. »Natürlich nicht ewig.«
»Natürlich. Aber hast du schon einen zeitlichen Rahmen im Sinn? Gibt es einen Gesamtplan?«
Sie sah mich scharf an. »Willst du mich verscheißern?«
»Nein, überhaupt nicht. Wenn ich eins über dich gelernt habe, dann ist es deine Fähigkeit, mich auf dem falschen Fuß zu erwischen. Hier würde man erwarten, dass du in Bezug auf Zweck und Ziel ratlos bist. Aber ich kenne dich jetzt gut genug, um zu wissen, dass du den Ball nicht ins Rollen gebracht hättest, ohne eine ziemlich klare Vorstellung zu haben, wo er schließlich hin soll. Ich hätte nicht sagen sollen ›Gibt es einen Gesamtplan?‹, sondern: ›Was ist der Gesamtplan?‹«
Scarlett nahm einen weiteren Bissen Spaghetti. Dann noch einen. »So ungefähr«, sagte sie schließlich.
»Willst du es erzählen? Oder soll es wieder eine deiner verdammten Überraschungen werden?«
»Ich will meine eigene TV-Show auf die Beine stellen. Es ist Zeit, den Leuten die Wahrheit zu zeigen. Dass ich mehr zu bieten habe, als sie meinen. Und wenn sie anfangen, das zu ahnen, dann werde ich Leanne langsam aus dem Nachtleben aussteigen lassen.« Sie warf mir ihr gewohntes Schurkenlächeln zu. »Dann kannst du eine ganze Menge Artikel darüber schreiben, dass ich eine neue Frau bin, ein geläutertes Wesen. Dass das Mutterwerden mich verwandelt hat. Ich werde so langweilig sein, dass die Paparazzi vielleicht einfach beschließen werden, mich in Ruhe zu lassen.«
»Und was wird aus Leanne?«
»Ich habe ihr ein nettes Haus in Spanien gekauft, oben in den Bergen. Es gibt eine große Gemeinde von Briten da oben. Zu dem Anwesen gehört ein Pool mit einem kleinen Haus dabei, wo sie ein Nagelstudio einrichten kann. Ihr eigenes kleines Geschäft. Natürlich wird sie wieder brünett werden müssen, vielleicht ihr Haar kurz schneiden.« Sie zuckte mit den Achseln.
Scarletts Pläne zeichneten sich durch eine Rücksichtslosigkeit aus, die ich fast bewunderte. Aber nicht ganz. Ich schob meinen Teller weg. »Und du meinst, sie wird sich damit zufriedengeben?«
»Warum nicht? Ein Haarschnitt und sich die Haare färben lassen, das ist kein hoher Preis dafür, dass man in ihrem Alter gut etabliert ist.«
»Ich meinte, dass sie das Partyleben aufgeben müsste. Nach dem, was ich von Leanne gesehen habe, ist es doch das tägliche Brot für sie. Sie hat ihre Berufung gefunden, Scarlett. Einen draufmachen auf Kosten von anderen, das ist ihr Traum. Warum sollte sie für die Pensionäre in den spanischen Bergen all den Spaß aufgeben?«
Scarletts mürrischer Gesichtsausdruck hätte gut zu einem Teenager gepasst. »Weil das die Abmachung ist. Als sie die Rolle übernommen hat, wusste sie, dass es nur vorübergehend ist. Und war damit zufrieden.«
»Na gut, dann glaub ich’s dir«, sagte ich, meinte es aber nicht wirklich so.
Wie sich zeigen sollte, hatte ich recht damit, dass es Probleme mit Leanne geben würde. Nur waren es nicht die Probleme, die ich erwartet hatte.
Drei Wochen später kam ich zur Hazienda, ohne vorher anzurufen. Zu einem Gespräch mit einer Stand-up-Komikerin war ich in Suffolk gewesen. Sie suchte jemanden, der ihren Rückblick auf fünfzig Jahre in der Lachbranche (ihr Schlagwort, nicht meins …) schreiben sollte, und wir waren früher fertig, als ich erwartet hatte. Hauptsächlich, weil mir die Frau nach fünf Minuten schon zuwider war und ich keine Lust hatte, mich besonders um den Auftrag zu bemühen. Scarletts Lebensgeschichte verkaufte sich immer noch gut als Taschenbuch, und das Buch über die Atlantiküberquerung sollte bald rauskommen, der Cashflow war also kein Problem. Und Maggie hatte mir einen Tipp gegeben – ein Einzelhandelsunternehmer, der ein Buch über Führungsqualitäten schreiben wollte, was viel interessanter klang.
Deshalb flüchtete ich ziemlich bald aus dem beengenden Nippesparadies des Comedy-Stars. Statt direkt nach Hause zu fahren, beschloss ich, Jimmy und seinen Harem aufzusuchen, hatte aber Pech. Marina hatte ihn an diesem Nachmittag in eine Krabbelgruppe gebracht, und Scarlett hatte eine letzte Anprobe für Real Life TV. Joshu war irgendwo unterwegs. Leanne hatte keine Ahnung, wo, nur, dass er nicht da war. Sie war allein zu Hause, und ihre überschwengliche Begrüßung überraschte mich. Damit man mich nicht missversteht: Wir waren immer gut ausgekommen. Aber heute schien sie erleichtert und erfreut,
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