Der Verrat
»So ist das nun mal.«
Er flüchtete, bevor sie eine Erklärung für sein bizarresVerhalten verlangen konnte, und sie fragte sich, ob jemand eine Ladung Irrsinn in der Bar verteilt hatte.
Erst da sah sie, wie die Leute tanzten. Normalerweise wurde im Erdgeschoss desTi mepiece nicht getanzt, das war auf denTanzflächen in den oberen Stockwerken vorgesehen, doch in einer Ecke des Raumes bewegten einige Leute ihre Körper auf eineWeise, die ihren Müttern sicher nicht gefallen hätte. Und jemand pfiff, so leise, dass Mae es kaum hörte, und trotzdem lief ihr der Klang wie ein Schauer über den Rücken. Sie merkte, wie ihre FüÃe denTakt mitzuklopfen begannen.
Sie ging zu denTänzern hinüber, blieb kurz vor ihnen stehen und sagte: »Hallo Rattenfänger!«
Der Rattenfänger hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt und ein Knie an denTisch gestützt. Seine dunklenAugen blitzten rot auf, als er sie ansah, und er trug dasselbe Grinsen wie auf dem Jahrmarkt der Kobolde, als er versucht hatte, ihr Knochen zu verkaufen.
Er hörte auf zu pfeifen und sagte: »Sieh an, das Mädchen, das nicht vom Jahrmarkt der Kobolde ist.« DieTänzer zögerten, ihre Bewegungen wurden plötzlich ungelenk und unsicher. »Ich habe deinen Namen nicht mitgekriegt.«
»Wahrscheinlich musst du dazu schneller sein«, behauptete Mae.
Er drückte sich aus dem Stuhl hoch, wobei sich sein eckiger Körper erstaunlich geschmeidig bewegte. »Ich bin schon recht schnell.«
»Davon merke ich nichts.«
»Ich heiÃe Matthias«, sagte er grinsend.Wieder begann er zu summen. Mae spürte es bis in die Knochen und die Bewegungen derTänzer wurden wieder flieÃend.
»Ich bin Mae«, sagte sie, und er nahm ihre Hände in die seinen, die sich anfühlten wie Knochen, glatt und hart vom Spielen auf hundert verschiedenen Musikinstrumenten.
Sein Summen schien die Luft zu verändern und sie zu führen wie Hände auf ihren Hüften. Sie wusste genau, wie sie sich bewegen sollte, wusste genau, wie dieserTanz ging. Mae konzentrierte sich darauf, falsche Schritte zu machen und nicht imTakt der Musik des Rattenfängers zu bleiben.
»Was machst du hier eigentlich?«, fragte sie misstrauisch und sah zu den wogendenTänzern hin.
»Nichts, was dich interessieren müsste. Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht meinTyp bist. Ich mag groÃe Mädchen mit ein wenig Erfahrung und einer schönen Stimme.« Matthias grinste höhnisch auf sie herunter und fasste kurz nach ihrer Kehle. »Und ich kann sehen, dass du falsch singst«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Mae war einen Moment lang so abgelenkt, dass sie sich wie die anderen im Rhythmus des Rattenfängers bewegte, wellenförmig auf ihn zu. Dann trat sie ihm mit ihrem Kampfstiefel absichtlich vors Schienbein.
»Du lebst irgendwie davon, stimmtâs? Irgendwie verschaffen dir die Musik und dieArt, wie die Leute darauf reagieren, Magie.«
Das Grau und Rot des Clubs verschwamm ein wenig vor ihrenAugen, weil sie sich so sehr darauf konzentrierte, nicht nach seiner Pfeife zu tanzen.Auf Matthiasâ Gesicht spielten die Farben einer Hölle, die von innen heraus verbrennt.
»Ist doch besser, den Leuten Energie abzuzapfen, als sie an die Dämonen zu verfüttern, oder?«, fragte Matthias. »Aber es hat seinen Preis, so etwas zu lernen. Meine Eltern sprechen seit Jahren nicht mehr.Aber sie schreiben mir kleine Zettel. Sie sagen, sie seien stolz auf mich.«
Mae starrte ihn an. »Du hast ihre Stimmen gestohlen?«
Matthias lachte. »Jemand muss die Musik bezahlen, meine Liebe. Und der Gedanke, dass die Magier sich schnappen, was ich mir so teuer erkauft habe, gefällt mir nicht.WeiÃt du, was auf dem Jahrmarkt los ist?«
»KeineAhnung«, gab Mae ehrlich zu. »WeiÃt du, dass der Zirkel des Obsidian ein neues Mal erfunden hat?«
Matthias hielt inne und mit ihm alleTänzer. »Was bewirkte es?«
»Es verzehnfacht die Kräfte ihresAnführers.«
Der Rattenfänger pfiff leise, aber so, dass es Mae wie eine Feuerwehrsirene durch den Kopf fuhr.
»Und was können wir dagegen tun?«
»Vielleicht ist es Zeit, sich neueVerbündete zu suchen«, sagte Mae leise über das erneute Summen hinweg. Sie verfiel in denselben Rhythmus wie die anderenTänzer, überlieà sich der Musik und hielt sich an Matthias fest, um ihm
Weitere Kostenlose Bücher