Der Verrat
warTennisfan, und ich konnte mich nicht beiden Sportarten widmen. Das habe ich immer bedauert.«
»Ich hatte auch mal einen Fechtlehrer«, sagte Nick. »Er hat richtigeTurniere ausgerichtet. MeinVater brachte mich immer zu ihm zum ⦠einmal im Monat.Als ich noch klein war.«
»Ich dachte immer, die Pokale seien alle fürsTennis«, sagte Mae erstaunt.
»Na ja.« Ihre Mutter lächelte. Es war dasselbe Lächeln, das Jamie hatte, ein wenig schiefer und unwürdiger als esAnnabel normalerweise lieb war. »DeinVater hat jedenfalls keine Pokale fürs Fechten bekommen. Ehrlich gesagt war er ein ziemlich hoffnungsloser Fall.«
Nick hatte sich mittlerweile zurückgelehnt, zupfte sich mit einer Hand nachdenklich in den Haaren und schien für einen Moment das Gefühl vergessen zu haben, nicht hierher zu gehören.
»Ich habe ein paar Schwerter in meinemWagen, die sind so leicht wie Florette«, sagte er schlieÃlich. »Vielleicht haben Sie ja Lust, mir zu zeigen, was Sie können.«
Er sah Mae an, und ihr fiel ein, was sie ihm gesagt hatte: Um einen Menschen glücklich zu machen, solle er etwas tun, an dem derjenige Spaà hat.
»Oh, tja«, begannAnnabel ein wenig verwirrt und offensichtlich in derAbsicht, abzulehnen. Doch dann legte sie die Serviette neben den leerenTeller und sagte: »Warum eigentlich nicht?«
So kam es, dass sie schlieÃlich alle in den nächtlichen Garten gingen, wo Bewegungsmelder an bestimmten Stellen das Licht einschalteten, sodass es in den entscheidenden Momenten ständig an- und ausging. Mae hockte sich auf der Gartentreppe dicht neben Jamie, denn es war kühl, und im Gegensatz zu Nick, der gerade sein T -Shirt ausgezogen und auf den Boden geworfen hatte, bewegte sie sich nicht.
»Foul!«, rief Jamie, der sichtlich zufrieden darüber war, dass nicht er derjenige war, der sich mit einer Klinge messen musste. »Ablenkungstaktik! Zieh sofort das T -Shirt wieder an!«
»He«, stieà ihn Mae in die Rippen. »Das lenkt vielleicht dich ab, aber ich hoffe doch sehr, dass Mum das egal ist.«
»O bitte«, sagte Jamie abweisend. »Diese GroÃ-düster-und-sonst-was-Masche ist echt nicht mein Ding. Er könnte mich nicht mal ablenken, wenn er es darauf anlegte.«
Annabel hatte ein wenig schockiert dreingesehen, als Nick sich das T -Shirt über den Kopf gezogen hatte, zeigte aber gleich darauf wieder den üblichen gelassenen Gesichtsausdruck. Sie wog das Schwert in ihrer Hand.
Nick sah auf sie herunter. Seine Schultern leuchteten weià in der Dunkelheit und er lieà sein eigenes Schwert locker pendeln.
»Na gut, vielleicht hat er mich ein oder zwei Minuten lang abgelenkt«, gab Jamie zu. »Hier und da.Ab und zu.«
»Lenke ich Sie zu sehr ab?«, fragte Nick ihre Mutter amüsiert. »Ãbrigens sollten Sie lieber diese albernen Schuhe ausziehen.«
»Im Gegensatz zu dir, junger Mann, habe ich nicht dieAbsicht, irgendetwas auszuziehen«, entgegneteAnnabel und legte los.
Nick parierte und ihr Kampf begann. Die Schwerter machten Geräusche wieWeihnachtsglocken und prallten mit fast melodischem Klang aufeinander. Die flackernden Gartenlichter waren grünlich gefärbt, sodass das Licht, das die Szene gelegentlich beleuchtete, wie ein Unterwasserlicht wirkte und die Schatten merkwürdig flieÃend aussehen lieÃ. Die sorgfältig gestutzten Büsche â schwarz, grellgrün und wieder schwarz â bildeten neue, seltsame Figuren hinter Nick und ihrer Mutter, und die Schwerter sahen aus wie helle Streifen.
»Stich ihn ab, Mum!«, rief Jamie begeistert und lachte, und auch Mae lachte.Annabel war gar nicht schlecht, so viel konnte Mae erkennen, nachdem sie Nick jedenTag stundenlang beim Ãben im Garten zugesehen hatte. Er reagierte aufAnnabels Finten anstatt sie nur abzuwehren, und machte sie zu seinem Partner in ihrem Spiel.
Es war natürlich auch ein Spiel. Für Nick, der sein Schwert locker hielt und sich stets aufAbstand hielt, stellte es keine Herausforderung dar. Es ging für beide nicht um Leben undTod. Nicht für ihre Mutter, die ihm lachend und atemlos nachsetzte, und nicht für den Dämon, von dem niemand erwartet hatte, dass er sich so darüber freuen würde, mit jemandem zu spielen, der so offensichtlich nicht auf seinem Niveau war, und der einfach eine Partie in einem Sommergarten spielte.
»DeineTechnik ist äuÃerst
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