Der Verrat
von dir sagen«, sagte Mae.
Sie standen in einem der Schatten des Marktes wie ein gewöhnliches jungesTouristenpaar. Gerald hätte sie erstarren lassen und sie einsperren können wie eine Fliege in Bernstein, vielleicht hätte es nicht einmal jemand bemerkt.
Mae streckte die Hände aus. »Gib mir den Jungen«, sagte sie und versuchte, es wie einen Befehl klingen zu lassen.
Sie hakte ihre Finger in den Stoff vonTobys kleinem Hemd und schob ihrenArm um das Kind, auch wenn das bedeutete, dass ihrArm an Geralds Brust lag.
Doch er lieÃToby nicht los. Mae sah auf seinenArm hinunter und bemerkte ein dunkles Mal auf der Innenseite seines Handgelenks. Doch bevor sie sehen konnte, was es war, lächelte Gerald, und der Ãrmel glitt wie von selbst an seinemArm hinunter.
Als er sprach, spürte sie seine dunkle Stimme in seiner Brust vibrieren, noch bevor sie weich in ihren Ohren erklang. »Er ist allein herumgelaufen und ich habe ihn gefunden. Ich würde keinem Kind etwas antun. Und dir auch nicht. Du bist Jamies Schwester.«
»Wie beruhigend«, gab Mae bissig zurück. »Ich weiÃ, wohin das Kind gehört. Gib ihn mir.«
»Wenn ich das tue«, sagte Gerald, »dann wirst du hier doch keine voreiligenVerkündigungen verbreiten?«
»Das ist ein Baby, kein Handelsobjekt!«, zischte Mae.
Gerald schwieg. Mae sah im Halbdunkel von seinem nachdenklichen und erbarmungslosen Gesicht inTobys. Der schien sich zwischen ihnen wohlzufühlen, er sah Mae mit groÃenAugen an und bildete mit dem Mund ein offenes, staunendes O.
»Okay«, meinte Gerald schlieÃlich und stieÃToby in ihreArme.
Er war unerwartet schwer, und sie musste seine Position ein wenig ungeschickt hierhin und dorthin verlagern, damit er halbwegs vernünftig auf ihremArm saÃ. Gerald trat zurück.
»Eigentlich muss ich sowieso weg«, sagte er so verlegen, wie sie ihn noch nie gesehen hatte, als sei es eine unverzeihliche grobe Unhöflichkeit, Gnade zu zeigen, sodass er nur weggehen und so tun konnte, als sei nichts passiert.
Dann war er fort. Sie war sich ziemlich sicher, dass er Magie angewandt hatte: Niemand verschwand einfach so und wurde von der Luft verschluckt.
Sonst schien ihn niemand bemerkt zu haben.
»Eine Kette, schöne Frau?«, fragte sie einAsiate grinsend und mit blitzenden dunklenAugen. »Eine Kette für das hübsche Baby?« Geschickt streifte erToby eine Kette über und schnalzte dabei mit den Fingern.
»Sind das etwa Knochen ?«
»Die besten Knochen, meine Dame«, erwiderte der Mann leicht vorwurfsvoll. »Ratte für das Gehirn,Vogel für den Gesang, Fuchs für Schlauheit und ⦠ganz unter uns ⦠ein kleiner Menschenknochen, um den Zauber zu binden.«
»Du bist wohl ein Feenpate desTo des «, fuhr ihn Mae an. »WeiÃt du, wo ichTrish finden kann? Sie sollte sich umToby kümmern.«
»Oh«, entfuhr es dem Mann und sein Gesicht veränderte sich. »Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du zu den Marktleuten gehörst. Ich bin ein Fänger, weiÃt du?«
»Ein Fänger?«
Er lächelte. »Also doch nicht vom Markt. Ich bin ein Rattenfänger.Wir machen Musik für den Markt, aber wir gehören nicht zu den Marktleuten.Wir benutzen Magie. Ich kann eine Melodie spielen und Kinder,Tiere oder hübsche junge Dinger dazu bringen, mir überallhin zu folgen.«
Mae nahm die beiden Blüten aus ihrerTasche und hielt sie ihm unter die Nase. »Na, das ist bestimmt eine nützliche Fähigkeit.Wo istTrish?«
Der Rattenfänger grinste. »Ich habe es nicht so gemeint«, sagte er. »Ehrlich, du bist nicht meinTyp. Und ich habeTrish nicht gesehen.«
Toby blies Mae eine Spuckeblase ins Ohr. »Toll.«
Der Rattenfänger grinste spöttisch über ihre Grimasse und ging weiter.
Mae traf eine Entscheidung. Sin war zwar mit einem Kerl beschäftigt, aber sicher konnte sie bei ihr anklopfen, damit sie ihr sagte, was sie mit dem Kind machen sollte. Sin schien ihr nicht derTyp Mensch zu sein, den man so leicht inVerlegenheit brachte, undAlan hatte lange genug gewartet.
Sie ging zurück in die Richtung, aus der sie gekommen war, obwohl sie mitToby auf demArm wesentlich vorsichtiger laufen musste.Trotzdem stolperte sie auf dem dunklenAbhang vier Mal und hielt das Baby vorAngst viel zu fest, wobei er jedes Mal leise krähende Geräusche machte. Entweder machte sich ein
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