Der Verrat
Mae.
Sie wollte nicht sein wie Sin, aber irgendetwas an ihr zog sie immer noch an, etwas am ganzen Jahrmarkt der Kobolde. Sie fühlte sich wie eine Motte auf der Jagd nach flüchtigen Flämmchen. Sie glaubte nicht, dass sie sich verbrennen würde, wenn sie lernte, wie man um sie herumtanzt.
»Ich möchte gerne hierher gehören«, sagte sie schlieÃlich.
Sin löste ihre Beine von Mae, sprang auf und lief zu ihrer Kommode. Sie nahm die rote Blumenkrone, die sie im Haar getragen hatte, und zog zwei Blüten heraus.
»Ich habe mir schon gedacht, dass du das sagst.« Sie ging zu Mae und sah auf sie herunter, auf einmal lag in ihren dunklenAugen etwas Ernstes. Sie nahm Maes Hand und legte die Blüten hinein. »Scharlach in deiner Hand«, sagte sie lächelnd. »Ich lasse dich wissen, wo der nächste Markt abgehalten wird. Und wenn dich jemand aufhalten will, zeigst du ihm diese.«
»Zwei Blüten bedeuten eine Einladung?«
»Zwei Blüten bedeuten eine Einladung zum Markt. Eine Blüte ist eineAufforderung zu etwasanderem.« Sin lächelte. »Drei Blüten sagen den Leuten, dass es immer noch eine Einladung ist, aber dass ich will, dass der Ãberbringer auf der Stelle getötet wird.«
Mae nickte langsam. »Danke.«
Sin zuckte mit denAchseln. »Ich liebe den Markt.Wenn du bereit bist, ihn ebenfalls zu lieben, dann bin ich deine Freundin.«
»Dann bist du meine Freundin«, sagte Mae und stand auf. »Ich muss jetzt zuAlan, denn er ist auch mein Freund.«
»Gut«, erwiderte Sin. »Ich würde dich sowieso rausscheuchen. Ich bekomme nämlich gleich männlichen Besuch.«
»Ach tatsächlich ?«, antwortete Mae und auf einmal war es, als würde sie mit Rachel und Erica in der Schule reden und beim Mittagessen darüber lachen, wer auf wen stand. »Jemand Besonderes?«
Wenigstens einer würde ein wenig in den Genuss derWirkung der Fieberfrucht kommen.
Sin stieà sie mit dem Ellbogen an. »Oh, er ist etwas anderes. Komm nächsten Monat wieder zum Markt, dann erzähle ich dir davon.«
Mae ging zurTür, sie vermisste den Markt jetzt schon. DochAlan wartete.
Sie legte die Hand an die Klinke und sah zu Sin zurück, die auf dem Bett saà und frisches Make-up auflegte. Der neue Lippenstift, den sie ohne Spiegel glatt und sauber auftrug, war ein dunkles tiefes Rot. Es war kein Rot, das nur die Blicke auf sich ziehen sollte. Es war ein Rot, bei dem man verweilte.
»Ich kann es kaum erwarten, wiederzukommen«, sagte Mae.
Sin lächelte sie langsam und bewusst an. Sie wurde wieder eine andere Person.
»Ich reserviere dir einenTanz.«
Der einzigeWeg zurück, den Mae kannte, führte wieder über den Jahrmarkt der Kobolde. Sie hatte sich selbst versprochen, dass sie nicht trödeln würde, aber es war schwer, durch die Schatten und Lichter zu gehen und nicht den Rufen zu erliegen: »Kauft, Leute!«
Sie blieb an keinem Stand stehen, sie sah sich höchstens ein wenig um. Es gab einen Stand mit Lampen in verschiedenen Farben und mit verschiedenen Etiketten. Eine sah aus wie eine altmodische Laterne, die das Licht durch schwarzes Eisen in vier gleichmäÃige Strahlen teilte, und auf dem Etikett stand: »Leuchtturmlampe.« Eine andere war rosarot und winzig, wie eine leuchtende Rosenblüte und wurde als »Liebeslampe« bezeichnet.
»Sie ist gerade hell genug, damit man die Liebe sehen kann«, rief derVerkäufer Mae zu. »Wenn du in diesem Licht Liebe sehen kannst, dann weiÃt du, dass sie echt ist.«
Mae ging lachend weiter und nahm sich vor, dass sie beim nächsten Mal diesen Stand näher erkunden würde. Doch jetzt konnte sie es sich nicht leisten, zu trödeln.
Doch dann blieb sie plötzlich stehen.
Mitten im geschäftigenTreiben von Leuten, die kauften und verkauften, tanzten und lachten, sah sie Sins kleinen BruderToby.
Mitten auf dem Jahrmarkt stand Gerald und hielt den kleinen Jungen imArm.
Mae ging zu ihm hinüber und das Herz klopfte viel zu laut in ihrer Brust.
»Willst du, dass ich allen sage, wer du wirklich bist?«, fragte sie, als sie näher kam. »Dann hätte ich dasVergnügen, zuzusehen, wie du in Stücke gerissen wirst.«
Er wirbelte herum und starrte sie überrascht an. Doch er wich nicht zurück, als sie auf ihn zukam.
»Du scheinst ständig irgendwo aufzutauchen, was?«
»Dasselbe könnte ich
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