Der Verrat
hielt Händchen mit einem Dämon, aber das Heft wollte sie nicht anfassen.
Dann tat sie es doch.Vorsichtig, als fürchte sie, es könne explodieren, zog sie es auf ihren Schoà und blätterte die vergilbten Seiten um bis zu der Stelle, an der sie beim letzten Mal aufgehört hatte.
Bitte, flehte sie in Gedanken einenToten an. Bitte hör auf, ihn zu hassen.
Aber sie lieà ihre Stimme nicht zittern, während sie las.
Es hätte einen Zeitpunkt geben müssen, an dem ich mir sagte: Das ist verrückt . Und dann hätte ich die notwendigen Schritte unternehmen müssen, um Al an zu retten. Es musste einen Moment gegeben haben, als ich noch hätte umkehren können.
Al s die Magier das erste Mal kamen, sind wir ihnen mit knapper Not entkommen. Vi elleicht hatten sie mich unterschätzt. SchlieÃlich war ich nur ein Mensch, der nichts von Magie wusste. Wi e sollte ich mich da gegen sie verteidigen?
Die Magier halten uns für dumm.
Olivia weinte neben mir und rief Zaubersprüche. Al an war im hinteren Te il des Hauses, voller An gst und doch bemüht, es nicht zu zeigen. Hielt dieses Ding umklammert und sang leise ein Lied.
Zwei von ihnen überfuhr ich mit dem Wa gen. Ich legte den Rückwärtsgang ein und überfuhr den einen Körper noch einmal, um sicher zu sein, dass er uns nicht folgen konnte, und um die Farbe der Magie und den aufsteigenden Sturm zu vertreiben. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einem anderen Menschen etwas zuleide getan hatte.
Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.
Ich hatte das Gefühl, ich müsse Olivia in Sicherheit bringen. Ich konnte sie nicht im Stich lassen, nicht in ihrem Zustand. Ich hätte niemanden im Stich gelassen, der solche Schmerzen hatte, schon gar nicht jemanden, den ich liebte.
Ich musste in so kurzer Zeit so viel lernen. Ich verbrachte so viel Zeit auf der Flucht, so viel Zeit, um zu lernen und zu versuchen, Olivia unter den schlimmsten Bedingungen zu helfen. Ich konnte sie nicht zu jemandem bringen, der ihr vielleicht wirklich hätte helfen können, denn der hätte ihr Gerede über Magie für verrückt gehalten und hätte versucht, sie nicht nur von ihren Wa hnvorstellungen, sondern auch von ihren Erinnerungen zu heilen. Ich konnte sie nicht einmal auf den Jahrmarkt der Kobolde bringen, denn sie hätten sie sofort als das erkannt, was sie war: eine Magierin, eine Mörderin.
Ich habe meinen Sohn geopfert, weil es mir in diesem Au genblick als das Richtige erschienen war.
Ãber diese Kreatur hatte ich nicht viel nachgedacht. Ich wusste, dass etwas damit nicht stimmte, aber ich war mir nicht sicher, wie viel von dem, was Olivia erzählte, wahr und was davon Wa hnsinn war. Und wenn sie über ihr Kind redete, war es am schlimmsten. Diese Geschichten waren die übelsten. Ich wollte sie nicht glauben.
Ich war immer müde. Irgendwie war ich dankbar, dass das grässliche Ding nie schrie oder Ãrger machte. Ich sah es nicht gerne an, aber ich sagte mir, dass das daran lag, dass es Ar thurs Kind war, das Kind eines schlechten Menschen und von Olivia unter Gott weià was für Leiden geboren, das Kind eines Mannes, den ich hasste, und der Frau, die ich liebte.
Ich lieà Al an für dieses We sen sorgen, denn es schien ihn glücklich zu machen. Gott helfe mir, ich sagte ihm, er solle sich darum kümmern, wenn Olivia versuchte, dem Ding wehzutun. Ich machte es zu seiner besonderen Au fgabe. Ich machte ihn verantwortlich.
Gott vergebe mir!
Erst über ein Jahr später erkannte ich, was ich getan hatte. Wi r bekämpften gerade einen Dämon, der von einem toten Körper Besitz ergriffen hatte. Olivia schleuderte ihm Zaubersprüche entgegen und ich schlug mit einem Schürhaken auf ihn ein. Ich musste ein bereits totes Ding in Stücke hauen, und als ich in sein leeres, verwesendes Gesicht sah, wusste ich es.
Und ich dachte: Mein Sohn bringt oben gerade einen Dämon ins Bett.
Olivia hatte mir tausend Mal gesagt, was es war. Wi r hatten nicht die leiseste Ah nung, wie wir das, was einmal ihr Kind hätte sein sollen, retten konnten. Es war kein Kind mehr übrig und keine Hoffnung. In unserem Haus befand sich einer aus einer mörderischen, bösen Ar t und es erfüllte mich mit sinnloser, grenzenloser An gst. Al s sei das nicht schon das ganze letzte Jahr über so gewesen. Al s hätte ich meinen Sohn nicht bereits durch meine We igerung verraten,
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