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Der verruchte Spion

Der verruchte Spion

Titel: Der verruchte Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celeste Bradley
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Der Teppich war weich, und sie machte kein Geräusch, als sie durch das luxuriöse Wohnzimmer zu einer Tür ging, von der sie glaubte, dass es die Tür zum Schlafzimmer war.
    Sie wollte Myrtle nicht aufwecken. Sie wollte sich nur selbst beruhigen. Randolphs Tod musste Myrtle aufregen. Sie war so ein verrücktes Huhn, dass man leicht vergaß, wie gebrechlich sie tatsächlich war.
    Willa steckte den Kopf durch den Türspalt und huschte dann zu dem riesigen Himmelbett hinüber. Auf Zehenspitzen schlich sie zu dem Spalt zwischen den Vorhängen und schob sie vorsichtig auseinander, um hindurchzuspähen.
    Sie war nicht darauf gefasst, die elfenhafte Myrtle im Schneidersitz mitten auf dem Bett zu finden, wo sie es sich mit einer riesigen Schachtel Pralinen bequem gemacht hatte. Myrtle steckte sich gerade ein Praliné in den Mund und schaute Willa groß an.
    »Komm rein. Wenn du eins hiervor haben willst, musst du dich beeilen.«
    Willa ließ sich auf der Bettkante nieder. »Du solltest dich schämen. Ich habe mir furchtbare Sorgen um dich gemacht. Victoria glaubt dich auf dem Totenbett.«
    »Oh, das bin ich. Schon seit Jahren. Langweilen mich noch zu Tode, diese Totenbetten. Kann mich nie lange drauflegen, bevor es am ganzen Körper zu jucken anfängt.«

    »Tante Myrtle, du erstaunst mich.«
    »Ach, Süße. Wenn man anfängt, älter zu werden, hört man auf, die Spiele der anderen mitzuspielen. Man spielt dann seine eigenen. Das wirst du schon noch sehen. Aber natürlich bist du schlauer als ich. Du hast jung reich geheiratet. Du wirst viel Spaß haben, mehr als ich, bevor ich meinen Beauregard kennen lernte.« Für einen Augenblick sah sie unfassbar traurig aus. Dann kicherte sie. »Beauregard hätte es sehr gefallen, was jetzt kommt.«
    »Was kommt denn jetzt?«
    »Ich werde mein Testament ändern. Unten tanzen sie nämlich immer noch.«
    »Dein Testament ändern? Ich dachte, Basil wäre Nathaniels Erbe?«
    »Oh ja, er ist der Erbe des Titels und des Gutes. Und Thaniel ist mit Sicherheit reich.« Myrtle lächelte boshaft. »Aber ich bin reicher. Viel reicher. Ohne mein Geld wird Basil bei seinen Problemen am Spieltisch in ein paar Jahren nichts mehr haben. Viel Land, aber kein Geld.« Sie kicherte wieder. »Ich kann es kaum erwarten, Victorias Gesicht zu sehen.«
    »Also, Tante Myrtle, ich kann sie ja auch nicht leiden, aber wenn sie mit dieser Erbschaft gerechnet hat, wäre es dann nicht unfair ihr gegenüber, sie darum zu bringen?«
    »Sie war nie in meinem Testament vorgesehen. Nur Randolph. Ich habe Randolph auf den Knien geschaukelt, als er ein Baby war. Ich habe den kleinen Kerl über alles geliebt.«
    Ihre wasserblauen Augen verdunkelten sich hinter ungeweinten Tränen. »Und weißt du, was diese Hexe mit ihm gemacht hat? Sie hat ihn umgebracht. Victoria hätte ihn genauso gut mit ihren eigenen Händen vom Tower stürzen können.«
    »Aber ich denke, sein Herz …«

    »Ja, sein Herz. Sein Herz, dessentwegen ihn sein Arzt schon im vergangenen Herbst gewarnt hat. Sein Herz, das niemals die Reise nach London hätte unternehmen dürfen. Sein Arzt hat es ihm verboten, hat gewarnt, dass er die Strapazen der Reise nicht überstehen würde.«
    Myrtle kniff die Augen zusammen. »Aber Victoria durfte doch die Saison nicht verpassen, sagte er. Victoria bestand darauf, wegen der Bälle und Soireen und Salons hierher zu kommen, selbst wenn die Reise ihren Ehemann umbringen würde.«
    Sie zog ein Spitzentaschentuch hervor und begann sich damit die Augen zu tupfen. »Und das hat sie. Sie hat ihn umgebracht.«
    »Es tut mir so Leid.«
    Myrtle seufzte, dann schüttelte sie den Kopf. »Jeder stirbt einmal, Liebes. Ich habe schon so viele Verwandte und Freunde sterben sehen. Randolph hatte Schmerzen, jeder Atemzug war eine Qual für ihn. Der Tod war eine Gnade für ihn.«
    »Ich verstehe.«
    »Es bleiben die Lebenden. Und das Geld. Da Randolph jetzt von uns gegangen ist, muss ich sofort meinen Rechtsanwalt kontaktieren. Außerdem kann ich mit meinem Geld machen, was ich will.«
    »Wahrscheinlich schon«, sagte Willa voller Zweifel.
    »Also, was ist mit dir? Mit dir und Thaniel – Nathaniel? Wollt ihr was?«
    »Nein«, sagte Willa bestimmt.
    »Nicht einmal ein kleines bisschen?«
    »Nicht einen Cent. Nicht, wenn du dafür erst sterben musst.«
    »Ach, Liebes, das ist wohl seit Jahren das Netteste, was jemand zu mir gesagt hat.«
    »Also, jetzt hör aber auf, hier rumzuschleimen. Ich kann
diese ganze Gefühlsduselei nicht ab«,

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