Der verruchte Spion
Seite
zu weichen schien? War er sein Gesellschafter? Oder sein Wächter?
Er hatte sich viel zu sehr mit Foster beschäftigt, gestand sich Nathaniel ein. Stattdessen hätte er besser im Dorf herumgefragt, warum sie es kaum erwarten konnten, ihre angeblich geliebte Tochter mit einem vollkommen Fremden zu verheiraten.
Stimmte mit dem Mädchen irgendetwas nicht? Sie könnte verrückt sein oder von schamloser Promiskuität. Bisher hatte Nathaniel noch kein Anzeichen für echten Wahnsinn an ihr entdecken können, obgleich sie schon als etwas merkwürdig galt. Er schaute ihr entgegen, wie ihre Hände beim Gang über die Wiese zitterten, sodass die Blütenblätter wie rosa Schneeflocken von ihrem Brautstrauß fielen, und Nathaniel konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass die zweite Möglichkeit zutreffen könnte. Sie sah so lieblich und unschuldig aus, wie eine Braut nur aussehen konnte. Seine Braut – er hatte nie gedacht, dass er je eine haben würde.
Nathaniel spürte einen unerwarteten Kloß im Hals und räusperte sich.
Wahrlich, es war ein lieblicher Tag für eine Hochzeit. Der Pfarrer gab sich keine Mühe, die Zeremonie unnötig in die Länge zu ziehen. Wenn man es recht betrachtete, beeilte er sich, als habe irgendjemand ihn dafür bezahlt, sie so schnell wie möglich durchzuziehen. »Wenn Euch irgendein Grund bekannt sein sollte, dass Ihr nicht rechtmäßig als Mann und Frau miteinander verbunden sein dürft, dann sprecht jetzt.« Die Worte kamen so schnell, dass sie ineinander verschmolzen. Wie merkwürdig.
Ein Flüstern. »Verzeiht mir, Sir, aber schnarcht Ihr?«
Nathaniels Konzentration war dahin. Überrascht blickte er auf das in Spitze gehüllte Haupt schräg unterhalb seines Kinns. Sie schaute ihn nicht an, aber ihr Kopf war auf eine
Art und Weise geneigt, die zeigte, dass sie eine Antwort erwartete.
Schnarchen? Welch ein Gedanke. »Ganz und gar nicht!«, flüsterte er in die Spitze, wo er ihr Ohr vermutete.
»Danke.« Sie gab dem Geistlichen ein Zeichen fortzufahren.
Während der Mann weiter durch die Zeremonie rasselte, beschloss Nathaniel, dass hinsichtlich der Frage bestehenden Wahnsinns das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Schließlich konnte man nie wissen.
»Sir? Wollt Ihr?«
Der Riese stieß ihm in die Rippen. »Ich will«, zischte der junge Mann.
Nathaniel holte tief Luft. Es ließ sich nicht ändern. »Ich will.«
»Habt Ihr einen Ring?«, fragte der Pfarrer.
Ein Ring. Das hatte er bei seiner Suche nach Foster vergessen. Er hätte daran denken müssen – aber welchen Unterschied machte es schon? Er schüttelte heftig den Kopf. Bei dieser Bewegung zog Miss Trent hastig die Hand zurück, die sie ihm im Zuge der Zeremonie bereits halb entgegengestreckt hatte.
Der Pfarrer räusperte sich, um die Peinlichkeit des Augenblicks zu überspielen. »Dann erkläre ich Euch hiermit zu Mann und Frau.« Der Pfarrer klappte laut sein Buch zu. Die Dorfbewohner um sie herum brachen in Beifall aus. In lauten, langen, geradezu enthusiastischen Beifall.
Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Zögernd ergriff Nathaniel den Schleier, um ihn seiner Braut vom Gesicht zu heben. Sie blinzelte ihm unter der Spitze entgegen wie ein rosiger Engel.
Der Pfarrer tippte mit einer Fingerspitze auf die Bibel in seiner Hand. »Wollt Ihr die Braut nicht küssen?«
Willa trat einen Schritt zurück, als Dick und Dan ihr Gepäck in den Stall brachten, nicht darauf achteten, dass es gegen den Türpfosten stieß und es widerwillig ins Stroh warfen.
Willa stützte die Fäuste auf die Hüften. »Seid vorsichtig, Jungs. Die Bücher meiner Eltern sind da drin.«
Die zwei hünenhaften jungen Männer standen mit hängenden Köpfen vor ihr wie zwei Schuljungen, die etwas ausgefressen hatten. Sie seufzte. »Ich weiß, dass euch das Ganze genauso wenig gefällt wie mir, aber wir müssen einfach das Beste daraus machen.«
Dick zog eine riesige Stiefelspitze durch den Staub. »Bist du froh, von hier fortzukommen, Willie?« Dan sagte nichts, aber das tat er eigentlich nie, denn dafür hatte er Dick.
Willa seufzte und nahm je eine Pranke in ihrer Hände. Sie waren solche Babys, trotz ihrer Größe. Für mehr als zwölf Jahre war sie ihre ältere Schwester gewesen, und sie überraschten sie immer noch.
»Ihr wisst genau, dass ich euch liebe, Jungs. Ich würde euch nie verlassen, wenn ich es nicht müsste. Aber eine Frau muss bei ihrem Mann sein. Wenn er geht, dann muss ich es auch.«
»Aber wer passt auf dich auf,
Weitere Kostenlose Bücher