Der verruchte Spion
Straße gewählt, um möglichst schnell in London anzukommen, wo er sich um den unglücklichen Status seiner Ehe kümmern wollte. Er hatte kaum zu hoffen gewagt, dass Foster auf derselben Straße unterwegs war.
Warum hatte sich Foster ebenfalls so plötzlich in Richtung London gewandt? Noch dazu in großer Eile, wie der Gastwirt gesagt hatte. Unbewusst umklammerten Nathaniels Finger den Ring in seiner Hand, bis er die goldenen Kanten fest in sein Fleisch schneiden fühlte. Er löste die Umklammerung gerade genug, um den Rubin noch einmal in den Schein der Talgkerze zu halten.
Willa schien fasziniert. Sie streckte die Hand aus und strich über das Wappen, das in die seitliche Ausbuchtung des Ringes graviert war. »Ist das ein Keiler? Und ein Schwert? Was hat das zu bedeuten?«
»Nichts. Absolut gar nichts.« Nicht mehr.
Sie zog ihre Hand zurück, und Nathaniel verfluchte seine
harten Worte. Aber wie sollte er ihr von dem neuerlichen Schmerz erzählen, den er verspürte, wenn er das verdammte Ding auch nur ansah? Die Trauer wallte wieder in ihm auf, Trauer über den Verlust seiner Ehre und mit ihr all seiner privaten Träume. Mit einer schnellen Bewegung holte er mit der Faust aus, um den Ring ins Feuer zu werfen.
»Nein!« Willa griff nach ihm, um ihn daran zu hindern, ließ aber von ihm ab, als sie seinen leeren Blick sah. Nathaniel sah fast unheimlich aus, als die flackernden Flammen tanzende Schatten über sein Gesicht warfen.
Und doch hielt er inne. Fluchend schob er den Ring auf den Boden seiner Tasche zurück.
»Ihr schlaft dort«, sagte er schroff und deutete auf das Bett. »Ich breite mir eine Decke vor dem Kamin aus.«
Dann ging er zur Tür.
»Wartet!« Mit einem Mal machte Willa seine Anwesenheit nichts mehr aus. Plötzlich schien der fremde, schäbige Raum gefährlicher ohne ihn. »Wohin geht Ihr? Kann ich mitkommen?«
Er blieb mit der Hand auf der Türklinke stehen. »Dorthin, wo selbst Könige zu Fuß hingehen. Und nein, mir wäre es lieber, wenn Ihr hier bliebet.«
Sie sackte errötend in sich zusammen. »Oh. Nein, natürlich. Das wäre …«
Er schien ein wenig nachzugeben. »Ich bin nicht lange fort. Schließt hinter mir ab, wenn Ihr es wünscht.«
Er war wieder freundlich zu ihr, und sie war eine dumme Gans. »Es macht mir nichts aus«, sagte sie tapfer. »Ich bin alt genug, um zehn Minuten allein in einem Zimmer zu verbringen.«
Er nickte nur kurz und ging hinaus. Willa riss sich zusammen, um ihn nicht auszusperren. Stattdessen verwendete sie diese plötzlich so kostbaren Minuten darauf, sich fürs Bett fertig zu machen. Schnell wusch sie sich mit dem eisigen
Wasser, das in einem Krug auf dem Waschgestell bereitstand, und warf sich ihr Hochzeitsnachthemd über.
Nur zur Sicherheit. Bisher schien Mr Stonewell zwar nicht der Sinn danach zu stehen, die Erfüllung ehelicher Pflichten von ihr einzufordern, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht etwas in dieser Richtung von ihm erwarten musste.
Der leichte Stoff trug nichts dazu bei, sie warm zu halten, und das Kaminfeuer fing gerade erst an zu glühen, sodass Willa eilig unter die dünne Bettdecke schlüpfte.
Sie musste zugeben, dass sie erleichtert darüber war, ihr Bett mit niemandem teilen zu müssen. Nach nur einmaligem Recken und Gähnen fühlte sie sich dankbar in leichten Schlummer gleiten. Sie hoffte, Mr Nathaniel Stonewell hätte es genauso bequem wie sie.
Kurz bevor sie in Tiefschlaf fiel, schoss ihr ein einzelner Gedanke durch den Kopf.
Heute Morgen, als sie ihm während der Trauungszeremonie ihre Hand gereicht hatte …
Da hatte er behauptet, er hätte keinen Ring.
5. Kapitel
N athaniel kam nicht zur Ruhe, als er in seine Decke gewickelt auf dem harten Dielenboden lag. Nachts war es immer schlimmer. In der Dunkelheit und Stille wurde ihm die Last seiner Schande, der Schmerz seiner verlorenen Ehre fürchterlich bewusst.
Ohne das eifrige Geplapper von Miss Trent – Willa – begann sein Hirn ihm boshaft vorzuhalten, was er alles verloren hatte. Sein Vater verachtete ihn. Seine Familie hatte ihn verstoßen. Seine Verlobung war aufgelöst worden.
Und jetzt hatte ihm das Schicksal einen Streich gespielt. Er hatte endlich eine Ehefrau, aber er könnte sie nicht behalten.
Seine Einsamkeit wurde ihm in Begleitung dieser lebhaften Frau nur noch schmerzhafter bewusst. Sie ließ ihn immer öfter an all das denken, was zu besitzen er sich niemals erlauben würde.
Endlich schlief er ein.
Trotz ihrer Erschöpfung schlief
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