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Der verschlossene Gedanke

Der verschlossene Gedanke

Titel: Der verschlossene Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Salchow
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Augenbraue.
    „ Eine Lesung mit mir. Vor Kindern.“ Oskar lächelt. „Ich bin Autor, wissen Sie. Natürlich wäre es kein Buch von mir. Liebesromane sind nicht unbedingt das Richtige für Grundschüler.“
    „ Und was interessiert mich das Ganze?“ Er schiebt sein T-Shirt ein Stück nach oben, um sich am Hosenbund zu kratzen.
    „ Wie gesagt. Ich hatte gehofft, dass Sie mir bei der Suche nach Frau Falkner helfen könnten.“
    „ Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, Mister. Aber Lilli und ich ... das ist nicht mehr. Sie ist abgehauen, kapiert?“
    „ Abgehauen?“
    „ Verpisst hat sie sich. Aus dem Staub gemacht. Aus. Ende. Finito. Welchen Teil davon verstehen Sie nicht?“
    „ Und wann?“
    „ Keine Ahnung. Vor drei Wochen, vielleicht auch vier. Spielt doch jetzt keine Rolle mehr. Die Alte ist weg. Na und?“
    „ Es scheint Ihnen nicht sehr viel auszumachen“, bemerkt Oskar.
    „ Hören Sie, Herr Liebesromanautor .“ Er tritt einen Schritt näher. „Was auch immer Sie von Lilli wollen, das Flittchen wohnt hier nicht mehr. Wenn Sie sie suchen, probieren Sie es im nächsten Puff. Vielleicht hat Sie da eine neue Karriere angefangen. Passen würde es zu ihr.“
    Oskar horcht bei seinen Worten auf. Wie passt das Bild, das er sich von ihr gemacht hat, das sich ihm regelrecht aufgedrängt hat, zu den Beschreibungen dieses Mannes? Womöglich nur der gekränkte Stolz eines Verlierers, der von seiner Freundin verlassen wurde? Eine Freundin, die eigentlich von Anfang an zu gut für ihn war?
    „ Sie sind sich also sicher, dass ich Liliana nicht hier finden kann?“
    „ Hab ich doch eben schon gesagt“, sagt er. „Bisschen schwer von Begriff, oder? Und jetzt wäre es nett, wenn Sie mich wieder alleine lassen. Hab zu tun.“
    Sein Zustand macht nicht den Eindruck, als hätte er viel zu tun. Ein ausdrucksloser Blick. Schaler Atem, der ihm beißend in einer Mischung aus Bier und Zwiebeln entgegenweht. Die Vorstellung, dass eine Frau mit solch einer Aura sich auf so einen Mann eingelassen haben könnte, will Oskar nicht in den Kopf.
    „ Tut mir leid, Sie gestört zu haben.“ Das einzige, das Oskar sagen kann, bevor der Fremde ihm die Tür vor der Nase zuschlägt. Sein Schatten, den er hinter dem Glas erkennen kann, entfernt sich langsam in den hinteren Teil der Wohnung.
    Für einen Moment bleibt Oskar regungslos vor der Tür stehen. Das war sie? Die heiße Spur? Ist er nicht genauso schlau wie vorher? Sie haben sich getrennt. Okay. Aber kann nicht gerade das ein Grund für einen Mann sein, Rache zu üben? Vielleicht war er gekränkt. Verletzte Eitelkeit ist nicht selten der Ursprung grausamer Taten. Warum nicht auch hier?
     
     
    ________
     
     
    „ Vier Kapitel?“ Lennards Erwartungen scheinen wie so oft unerfüllt. „Weiter bist du noch nicht?“
    „ Mehr war bisher einfach nicht drin“, rechtfertigt sich Oskar. „Ich hatte zu recherchieren.“
    „ Wir wissen beide, dass du dich auf das Minimum von Recherche beschränkst, wenn du an einem Roman arbeitest. Was du nicht weißt, kommt auch nicht in deine Bücher. Also bitte hör auf, mich für dumm zu verkaufen.“
    „ Ich rede auch nicht von der Recherche für das Buch.“ Er lehnt sich in den Strandkorb zurück. Eine der vielen ungewöhnlichen Dekorationen auf Lennards Terrasse und ein Symbol für Entspannung, die Oskar nicht empfindet.
    „ Bist du etwa immer noch hinter diesem Typen her?“, fragt Lennard und nimmt einen Schluck aus seiner Bierflasche.
    „ Was heißt noch immer? Es war das erste Mal, das ich ihm wirklich nahe gekommen bin.“
    „ Du warst bei ihm?“
    „ Ja, er wohnt im Wassertorviertel. Aber leider hat es mir nicht sehr viel gebracht, er hat mich gleich an der Tür abgewimmelt.“
    „ Aber wie bist du auf die Idee gekommen, da einfach allein hinzufahren?“
    „ Was hätte ich tun sollen? Etwa die Polizei anrufen?“
    „ Du hättest mich fragen können.“
    Oskar beugt sich ein Stück nach vorne. „Es war eher eine Kurzschlussreaktion. Außerdem hast du doch mehr als deutlich gemacht, was du von meiner Suche hältst.“
    „ Und dasselbe denke ich noch immer darüber. Umso gefährlicher ist es, wenn du solche albernen Alleingänge wagst.“
    Er hat recht. In der Kneipe hatte er Lennard dabei haben wollen, aus Angst vor den Bildern der eigenen Verfolgung. Angst vor den Gedanken, die er nicht einordnen konnte. Was hatte ihn dazu gebracht, es hier auf eigene Faust zu versuchen? Wäre es nicht gerade auf dem verlassenen

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