Der Verschollene
weiter geht und daß man noch eine Hilfskraf wird aufnehmen müssen. ‚Ich will nicht, Delamarche', hat sie gesagt, ‚daß Du mir einmal Vorwürfe machst, ich hätte die Wirtschaf nicht gut ge- führt. Selbst kann ich mich nicht anstrengen, das siehst Du doch ein und Robinson genügt nicht, am Anfang war er so frisch und hat sich überall umgesehn, aber jetzt ist er immerfort müde und sitzt meist in einem Winkel. Aber ein Zimmer mit soviel Gegenständen wie das uns- rige, hält sich nicht selbst in Ordnung.' Daraufin hat Delamarche nachgedacht, was sich da tun ließe, denn eine beliebige Person kann man natürlich nicht in einen solchen Haushalt aufnehmen, auch zur Probe nicht, denn man paßt uns ja von allen Seiten auf. Weil ich aber Dein guter Freund bin und von Renell gehört habe, wie Du Dich im Hotel plagen mußt, habe ich Dich in Vor- schlag gebracht. Delamarche war gleich einverstanden, trotzdem Du damals gegen ihn Dich so keck benommen hast, und ich habe mich natürlich sehr gefreut, daß ich Dir so nützlich sein konnte. Für Dich ist nämlich diese Stellung wie geschaffen, Du bist jung, stark und ge- schickt, während ich nichts mehr wert bin. Nur will ich Dir sagen, daß Du noch keineswegs aufgenommen bist, wenn Du Brunelda nicht gefällst, können wir Dich nicht brauchen. Also strenge Dich nur an, daß Du ihr ange- nehm bist, für das übrige werde ich schon sorgen." „Und was wirst Du machen, wenn ich hier Diener sein werde?" fragte Karl, er fühlte sich so frei, der erste Schrecken, den ihm die Mitteilungen Robinsons verur- sacht hatten war vorüber. Delamarche hatte also keine schlimmem Absichten mit ihm, als ihn zum Diener zu machen, – hätte er schlimmere Absichten gehabt, dann hätte sie der plapperhafe Robinson gewiß verraten – wenn es aber so stand, dann getraute sich Karl noch heute Nacht den Abschied durchzuführen. Man kann niemanden zwingen einen Posten anzunehmen. Und während Karl früher genug Sorgen gehabt hatte, ob er nach seiner Entlassung aus dem Hotel genügend bald, um vor Hunger geschützt zu sein, einen passenden und womöglich nicht unansehnlichem Posten bekommen werde, schien ihm jetzt im Vergleich zu dem ihm hier zugedachten Posten, der ihm widerlich war, jeder andere Posten gut genug und selbst die stellungslose Not hätte er diesem Posten vorgezogen. Robinson das aber be- greiflich zu machen, versuchte er gar nicht, besonders da Robinson jetzt in jedem Urteil durch die Hoffnung völ- lig befangen war, von Karl entlastet zu werden.
„Ich werde also", sagte Robinson und begleitete die Rede mit behaglichen Handbewegungen – die Elbogen hatte er auf das Geländer aufgestützt – „zunächst Dir alles erklären und die Vorräte zeigen. Du bist gebildet und hast sicher eine schöne Schrif, Du könntest also gleich ein Verzeichnis aller der Sachen machen, die wir da haben. Das hat sich Brunelda schon längst gewünscht. Wenn morgen Vormittag schönes Wetter ist, werden wir Brunelda bitten, daß sie sich auf den Balkon setzt und inzwischen werden wir ruhig und ohne sie zu stören im Zimmer arbeiten können. Denn darauf, Roßmann, mußt Du vor allem Acht geben. Nur nicht Brunelda stören. Sie hört alles, wahrscheinlich hat sie als Sängerin so emp- findliche Ohren. Du rollst z. B. das Faß mit Schnaps, das hinter den Kästen steht, heraus, es macht ja Lärm, weil es schwer ist und dort überall verschiedene Sachen her- umliegen so daß man es nicht mit einemmal durchrollen kann. Brunelda liegt z. B. ruhig auf dem Kanapee und fängt Fliegen, die sie überhaupt sehr belästigen. Du glaubst also, sie kümmert sich um Dich nicht und rollst Dein Faß weiter. Sie liegt noch immer ruhig. Aber in einem Augenblick, wo Du es gar nicht erwartest und wo Du am wenigsten Lärm machst, setzt sie sich plötzlich aufrecht, schlägt mit beiden Händen auf das Kanapee, daß man sie vor Staub nicht sieht – seit wir hier sind habe ich das Kanapee nicht ausgeklopf, ich kann ja nicht, sie liegt doch immerfort darauf – und fängt schrecklich zu schreien an, wie ein Mann, und schreit so stundenlang. Das Singen haben ihr die Nachbarn verbo- ten, das Schreien aber kann ihr niemand verbieten, sie muß schreien, übrigens geschieht es ja jetzt nur selten, ich und Delamarche sind sehr vorsichtig geworden. Es hat ihr ja auch sehr geschadet. Einmal ist sie ohnmäch- tig geworden und ich habe – Delamarche war gerade weg – den Studenten von nebenan holen müssen, der hat sie aus einer
Weitere Kostenlose Bücher