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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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noch die Decke Bruneldas um sich gewickelt hielt.
       „Fast niemanden. Das ist ja eben das Schlimme an meiner Stellung", sagte Robinson und zog Karl näher zu sich, um ihm ins Ohr flüstern zu können, „sonst hätte ich mich augenblicklich nicht gerade zu beklagen. Die Brunelda hat ja wegen des Delamarche alles was sie hatte verkauf und ist mit allen ihren Reichtümern hierher in diese Vorstadtwohnung gezogen, damit sie sich ihm ganz widmen kann und damit sie niemand stört, übri- gens war das auch der Wunsch des Delamarche."
       „Und die Dienerschaf hat sie entlassen?" fragte Karl.
       „Ganz richtig", sagte Robinson. „Wo sollte man auch die Dienerschaf hier unterbringen? Diese Diener sind ja sehr anspruchsvolle Herren. Einmal hat Delamarche bei der Brunelda einen solchen Diener einfach mit Ohrfei- gen aus dem Zimmer getrieben, da ist eine nach der andern geflogen, bis der Mann draußen war. Natürlich haben die andern Diener sich mit ihm vereinigt und vor der Tür Lärm gemacht, da ist Delamarche herausgekom- men (ich war damals nicht Diener, sondern Hausfreund, aber doch war ich mit den Dienern beisammen) und hat gefragt: ‚Was wollt ihr?' Der älteste Diener, ein gewisser Isidor, hat daraufin gesagt: ‚Sie haben mit uns nichts zu reden, unsere Herrin ist die gnädige Frau.' Wie Du wahrscheinlich merkst haben sie Brunelda sehr verehrt. Aber Brunelda ist ohne sich um sie zu kümmern, zu Delamarche gelaufen, sie war damals doch noch nicht so schwer wie jetzt, hat ihn vor allen umarmt, geküßt und ‚liebster Delamarche' genannt. ‚Und schick doch schon diese Affen weg', hat sie endlich gesagt. Affen – das sollten die Diener sein, stell Dir die Gesichter vor, die sie da machten. Dann hat die Brunelda die Hand des Dela- marche zu ihrer Geldtasche hingezogen die sie am Gür- tel trug, Delamarche hat hineingegriffen und also ange- fangen die Diener auszuzahlen, die Brunelda hat sich nur dadurch an der Auszahlung beteiligt, daß sie mit der offenen Geldtasche im Gürtel dabei gestanden ist. Dela- marche mußte of hineingreifen, denn er verteilte das Geld, ohne zu zählen und ohne die Forderungen zu prüfen. Schließlich sagte er: Da Ihr also mit mir nicht reden wollt, sage ich Euch nur im Namen Bruneldas ‚Packt Euch, aber sofort.' So sind sie entlassen worden, es gab dann noch einige Processe, Delamarche mußte sogar einmal zum Gericht, aber davon weiß ich nichts genaueres. Nur gleich nach dem Abschied der Diener hat Delamarche zur Brunelda gesagt: ‚Jetzt hast Du also keine Dienerschaf?' Sie hat gesagt: ‚Aber da ist ja Ro- binson.' Daraufin hat Delamarche gesagt und hat mir dabei einen Schlag auf die Achsel gegeben: ‚Also gut, Du wirst unser Diener sein.' Und Brunelda hat mir dann auf die Wange geklopf, wenn sich die Gelegenheit findet, Roßmann, laß Dir auch einmal von ihr auf die Wangen klopfen, Du wirst staunen, wie schön das ist."
       „Du bist also der Diener des Delamarche geworden?" sagte Karl zusammenfassend.
       Robinson hörte das Bedauern aus der Frage heraus und antwortete: „Ich bin Diener, aber das bemerken nur wenige Leute. Du siehst, Du selbst wußtest es nicht, trotzdem Du doch schon ein Weilchen bei uns bist. Du hast ja gesehn, wie ich in der Nacht bei Euch im Hotel angezogen war. Das Feinste vom Feinen hatte ich an, gehn Diener so angezogen? Nur ist eben die Sache die, daß ich nicht of weggehn darf, ich muß immer bei der Hand sein, in der Wirtschaf ist eben immer etwas zu tun. Eine Person ist eben zu wenig für die viele Arbeit. Wie Du vielleicht bemerkt hast, haben wir sehr viele Sachen im Zimmer herumstehn, was wir eben bei dem großen Auszug nicht verkaufen konnten, haben wir mit- genommen. Natürlich hätte man es wegschenken kön- nen, aber Brunelda schenkt nichts weg. Denk Dir nur, welche Arbeit es gegeben hat, diese Sachen die Treppe heraufzutragen."
       „Robinson, Du hast das alles herauf getragen?" rief Karl.
       „Wer denn sonst?" sagte Robinson. „Es war noch ein Hilfsarbeiter da, ein faules Luder, ich habe die meiste Arbeit allein machen müssen. Brunelda ist unten beim Wagen gestanden, Delamarche hat oben angeordnet, wohin die Sachen zu legen sind, und ich bin immerfort hin und hergelaufen. Es hat zwei Tage gedauert, sehr lange, nicht wahr? aber Du weißt ja gar nicht wie viel Sachen hier im Zimmer sind, alle Kästen sind voll und hinter den Kästen ist alles vollgestopf bis zur Decke hinauf. Wenn man ein paar Leute für den

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