Der verschwundene Weihnachtsengel: Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln
aus der Waffenkammer. Auf ihm rodelte sie von der Burg direkt bis zum Stadttor.
Als die Kinder und Frauen der Stadt aus dem Fenster schauten und Dorothea so heranschweben sahen, glaubten sie zunächst, einen Engel zu sehen, bevor sie die hohe Frau erkannten. Nun wagten sie auf Rettung zu hoffen und schlossen sich Dorothea an. Bald war es ein Tross aus mehr als hundert Frauen und Kindern, die mit Dorothea den Marktplatz erreichten. Hier warf sich die arme Dorothea Ritter Rossau zu Füßen und bat, ihren Mann, die Männer von Rhodenberg und die Stadt zu verschonen. Zum Dank wolle sie dem Ritter in seine Heimat folgen.
Das war genau das, was Rhoderich von Rossau gehofft hatte. Er ließ die Männer frei und führte Dorothea als Gefangene in sein Reich. Der arme Edmund soll schon wenige Wochen später aus Gram gestorben sein.«
Nachdem Frau Knukel geendet hat, legt sich eine bleierne Stille über dem Raum.
»Das ist die Geschichte?«, fragt Jakob endlich.
»Soweit ich sie kenne: ja«, bestätigt Frau Knukel.
Laura ist den Tränen nahe. »Aber das kann doch nicht sein … so kann das doch nicht enden.«
Erschrocken tätschelt Frau Knukel Lauras Hand. »Das habe ich aber nicht gewollt, dass du jetzt so traurig bist.«
Laura zieht tapfer die Nase hoch. »Schon okay«, sagt sie.
Doch Frau Knukel ist bestürzt, was sie mit ihrer Geschichte bei Laura und Jakob angerichtet hat. »Aber wer weiß, vielleicht irre ich mich ja«, erklärt sie deshalb. »Es ist ja schon so lange her, dass sie mir erzählt wurde …« Frau Knukel hat eine Idee: »Vielleicht weiß Pfarrer Klingelmann mehr. Ich bin mir sogar ganz sicher. Der Pfarrer kennt sich schließlich mit der Stadtgeschichte viel besser aus als ich. Ich werde ihn gleich morgen fragen!«
»Das brauchen Sie nicht, Frau Knukel«, sagt Laura. Sie klingt etwas hoffnungsfroher. »Gestern habe ich einen Brief bekommen. Morgen treffe ich den Pfarrer für die Weihnachtsengelprobe. Dann frage ich ihn selbst.«
Weiß Pfarrer Klingelmann, wie die Geschichte zu Ende geht?
D as Zuschneiden des Lebkuchens nimmt mehr Zeit in Anspruch, als Jakob gedacht hat. Da Ronnie mit seinem Burgenbau bereits fertig ist, bietet er Jakob Hilfe an. Zusammen schaffen sie es für heute, alle Mauerteile zurechtzuschneiden. Trotzdem gerät Jakob in Zweifel, ob er sich mit seinem Projekt nicht übernommen hat. Zum Glück ist aber Ronnie so vergnügt bei der Sache, dass Jakob schnell wieder zuversichtlich wird.
Überhaupt ist Jakob froh, Ronnie besser kennengelernt zu haben. Wenn er nicht gerade irgendeinen Unfug ausheckt, ist er nämlich ein richtig netter Kerl, findet Jakob.
In der großen Pause berichtet er Ronnie ausführlich von Frau Knukel, erzählt von ihrem schrecklichen Rheuma, aber vor allem von den schönen Nachmittagen in ihrem Wohnzimmer. Als Jakob die Geschichte von Edmund und Dorothea erzählt, hört Ronnie gebannt zu und wird am Ende ernst und traurig. »Das ist ja fürchterlich! Bitte erzähl sofort, wenn du Neues erfährst«, bittet er Jakob.
Auf positive Neuigkeiten brennt auch Jakob. Deshalb ist er froh, am Nachmittag Laura zum Pfarrer begleiten zu dürfen. Nach dem Mittagessen machen sie sich zusammen auf den Weg.
Auch Laura kann ihre Neugier kaum zügeln. Dennoch verabreden die Geschwister, den Pfarrer nicht sofort mit Fragen nach Edmund von Rhodenberg zu bestürmen. Erst soll Laura alles Wichtige zum Traditionsadvent klären.
»Findet die Veranstaltung denn überhaupt statt?«, will Laura als Erstes wissen.
»Natürlich!«, beruhigt sie der Pfarrer. »Vielleicht ein klitzekleines bisschen kleiner, weniger pompös, nicht so spektakulär – aber sie findet auf jeden Fall statt.«
Laura seufzt. Das war nicht die Antwort, die sie hören wollte. Aber immerhin ist ihr Auftritt nicht abgesagt.
Das Gedicht für den Traditionsadvent hat sie natürlich bereits auswendig gelernt. Als Pfarrer Klingelmann es abfragt, verhaspelt sie sich kein einziges Mal. Der Pfarrer nickt zufrieden. »Das war wirklich sehr, sehr gut«, sagt er. Anschließend geht er mit Laura auf dem Stadtplan die Wegstrecke durch, die sie am vierten Advent durch die Altstadt bis zur Kirche abschreiten wird.
Zur Sicherheit hat er den Weg mit rotem Filzstift auf dem Plan eingezeichnet. Diesen Teil des Traditionsadvents scheint Pfarrer Klingelmann als besonders kompliziert einzuschätzen. Aber Laura beruhigt ihn: »Das kann ich mir leicht merken. Links, rechts, rechts, links und wieder links.« Pfarrer Klingelmann
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