Der verschwundene Weihnachtsengel: Ein Weihnachtskrimi in 24 Kapiteln
der absolute Renner. Wir kommen kaum mit dem Backen nach.«
»Kein Problem«, sagt Jakob. »Ich gehe heute mit Ronnie zu Frau Knukel und bringe ihr Feuerholz.«
»Ich finde es nicht so gut, dass ihr immer unterwegs seid«, beklagt sich hingegen Laura. Denn ihr ist ein ausführliches Sonntagsfrühstück mit der Familie heilig.
»Es tut mir leid, Schatz«, sagt Papa. »Nach Weihnachten werden wir das ändern, versprochen!«
»Das glaube ich erst, wenn ich es sehe«, murmelt Laura.
Nachdem Mama und Papa gegangen sind, machen es sich Jakob und Laura noch einmal richtig gemütlich. Draußen ist der Himmel grau bewölkt, vereinzelt fallen Schneeflocken, die sich noch in der Luft in Regentropfen verwandeln. Jakob lümmelt auf dem Sofa und liest Heldensagen. Dann genehmigt er sich ein heißes Bad mit viel Schaum. Obwohl es noch früh am Tag ist, ist die Dämmerung schon zu ahnen. Als der Vormittag zu Ende geht, kostet es Jakob einige Überwindung, das warme Haus zu verlassen, um zum Marktplatz zu fahren.
Ronnie wartet schon auf ihn.
Gemeinsam traben sie zum Pfarrhaus und bitten Pfarrer Klingelmann, ihnen das Holz für Frau Knukel zu geben.
Als sie das Holz in die Schäfchengasse bringen, ist die alte Dame überglücklich. Denn heute schmerzen ihre Hände und Knie besonders stark.
»Das ist übrigens Ronnie«, sagt Jakob.
Ronnie gibt Frau Knukel höflich die Hand. »Wir sind Freunde«, sagt er. Jakob muss schmunzeln. Eigentlich hat er nichts dagegen, dass Ronnie sich als Freund bezeichnet. Ja, es gefällt ihm sogar. Aus dem Wohnzimmer kommt nun auch die Pudeldame Lady schwerfällig herbei. Auch Ronnie scheint sie auf Anhieb zu mögen. Als er sich zu ihr niederkniet, um sie zu tätscheln, schleckt sie ihm über das ganze Gesicht.
»Wenn Sie möchten, machen wir mit Lady noch einen kleinen Spaziergang«, schlägt Jakob vor. »Dann müssen Sie heute nicht mehr mit ihr raus.«
Frau Knukel nimmt dankbar an und bringt Jakob und Ronnie die Leine. Auf der Straße erweist sich Lady als wohlerzogener Hund. Sie bleibt die ganze Zeit über bei Fuß, ignoriert hochnäsig andere Hunde und hört auf die wichtigsten Kommandos. Jakob und Ronnie spazieren mit ihr bis zum Stadttor und zurück zum Marktplatz.
Als sie über den Platz laufen, bleiben sie an der Ponyreitbahn stehen. Etwa zehn traurige Ponys laufen hier den ganzen Tag im Kreis. Auf ihren Rücken tragen sie kleine und größere Kinder.
Ronnie stößt Jakob aufgeregt in die Seite. »Guck mal, da ist Marina!«
Marina, ein Mädchen mit Handtäschchen, rosa Mütze und dazu passenden Handschuhen und Schal, steigt gerade von einem der Ponys. Sie hat hüftlange blonde glatte Haare und ist wirklich sehr hübsch, wie Jakob feststellen muss.
Er beobachtet, wie Marina ein paar Worte mit einem kleineren Mädchen auf einem Pony wechselt, das offenbar nicht absteigen will und dies mit einer heulrigen Grimasse zum Ausdruck bringt. Bei dem Kind handelt es sich um eine Art Miniatur-Marina, es hat ebenfalls lange Haare, trägt aber eine blaue Bommelmütze.
»Das ist Emily«, erklärt Jakob.
Emily bleibt auf dem Pony sitzen, eine neue Runde beginnt. Marina marschiert genervt aus der Bahn und lehnt sich an die Brüstung. Mit gelangweiltem Gesichtsausdruck betrachtet sie ihre Umgebung.
»Soll ich ihr eine Maus in die Handtasche stecken? Oder einen Zettel an den Rücken heften ›Ich bin die Tollste‹?«, fragt Ronnie.
»Nein, lass mal«, erwidert Jakob und zieht Ronnie entschlossen mit sich zur Ponybahn. »Ich frage sie einfach direkt nach dem Dieb. Dann haben wir es hinter uns.«
Doch als Jakob und Ronnie vor Marina stehen, schaut sie hochnäsig an den Jungen vorbei.
»Bist du Marina?«, fragt Jakob höflich.
Marina mustert Jakob von oben bis unten. »Wer will das wissen?«, fragt sie zurück.
»Ich heiße Jakob«, sagt Jakob. Doch bevor er weiterreden kann, unterbricht ihn Marina.
Dabei zieht sie die Stirn in Falten, als müsste sie angestrengt nachdenken: »Bist du nicht der Bruder von diesem Mädchen? Sie geht in meine Klasse, wie heißt sie noch? Die mit dieser furchtbaren Haarfarbe.«
»Laura«, sagt Jakob.
Und weil er Marina bereits jetzt dorthin wünscht, wo der Pfeffer wächst, schiebt er nicht ohne Genugtuung hinterher: »Der diesjährige Weihnachtsengel.«
»Ja, richtig. Wundert mich nicht, dass sie in diesem Katastrophenjahr, in dem alles schiefgeht, der Weihnachtsengel ist. Das passt ja irgendwie«, erwidert Marina spitz.
Jetzt möchte Jakob Marina am liebsten
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