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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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mit Erfolg geimpft, besitze eine eigene Steuernummer, und außerdem habe ich mich anhand von Fachbüchern darüber unterrichtet, daß zwischen Mädchen und Knaben gewisse funktionelle Unterschiede bestehen. Sie können also offen und vertrauensvoll mit mir sprechen.«
    Sie nahm ihr rechtes Bein vom linken herunter und schlug das linke übers rechte. Es sah nicht so aus, als ob sie damit etwas beabsichtigte.
    »Gwen und ich wohnen auf der gleichen Etage, und Gwen weiß von der Geschichte, derentwegen ich zu Ihnen komme.«
    »Wer weiß sonst noch davon?« fragte ich.
    »Hoffentlich nur der Mann, der mir den Brief geschrieben hat.«
    »Also wieder eine Erpressung?«
    Sie nickte.
    »Ja. Aber anders als bei Gwen. Ich bin tatsächlich mit drin.«
    »Wie wär’s denn«, schlug ich vor, »wenn Sie mir der Reihe nach erzählten, ohne etwas auszulassen und ohne etwas hinzuzufügen?«
    Sie drückte langsam und sorgfältig ihre Zigarette aus. Dann sagte sie, ohne mich anzuschauen:
    »Es ist nicht ganz einfach für eine Frau, das einem Mann zu erzählen, wissen Sie.«
    »Ich habe ein Tonband«, sagte ich. »Wenn es Ihnen lieber ist, gehe ich hinaus, und Sie erzählen es ihm. Ich höre es mir dann an, wenn Sie weggegangen sind.«
    Sie lachte mich kurz an und schüttelte den Kopf.
    »Nein, nein«, sagte sie. »Es ist eins so schlimm wie das andere; und es ist genauso schlimm, daß ich es getan habe und deshalb jetzt hier sitze.«
    Sie zog einen Brief aus ihrer Handtasche und gab ihn mir. Er war schon aus dem Umschlag genommen, und ich faßte ihn ohne besondere Vorsicht an, da vermutlich sowieso schon viele Fingerabdrücke darauf waren. Er war mit Schreibmaschine auf weißes Leinenbriefpapier geschrieben und lautete:

    Liebes Fräulein Wilson, ein glücklicher Zufall hat mir das einliegende Foto in die Hände gespielt. Ich nehme an, daß es zu einem anderen Zweck aufgenommen wurde, als auf Postkarten vervielfältigt und für fünfzig Cent pro Stück verkauft zu werden.
    Ich könnte in den Besitz des Negativs kommen und die Herstellung solcher Postkarten damit verhindern. Allerdings bin ich leider finanziell nicht so gut gestellt, daß ich die hundert Dollar, die das kosten würde, aus meiner eigenen Tasche bezahlen könnte.
    Wenn Ihnen eine Veröffentlichung dieser Aufnahme nichts ausmacht, dann betrachten Sie diese Angelegenheit bitte als erledigt. Sollten Sie aber den Wunsch haben, eine Veröffentlichung zu verhindern, müßten Sie dem Mann, der das Negativ besitzt, hundert Dollar bezahlen. Es hat mich große Mühe gekostet, ihn so weit zu bringen, da er bei einer Veröffentlichung wesentlich mehr damit verdienen könnte. Tun Sie dann bitte folgendes:
    Kommen Sie am Mittwoch, 19. Mai, abends um neun Uhr in den >Blauen Papagei<, Hollywood, Ecke Fountain und Bronson Avenue. Bestellen Sie eine Tasse Kaffee und fragen Sie den Kellner nach einem Umschlag, der für Sie abgegeben worden ist. Sie werden dann das Negativ erhalten. Wegen der hundert Dollar brauchen Sie sich vorerst keine großen Sorgen zu machen, das wird sich schon irgendwie arrangieren lassen.
    Mit freundlichen Grüßen bin ich
    Ihr

    Die Unterschrift war mit Kugelschreiber geschrieben und unleserlich.
    »Was sagen Sie dazu?« hörte ich Miss Wilson fragen.
    Ich sagte zunächst einmal gar nichts, sondern las den Brief noch einmal Wort für Wort durch. Offenbar hatte sich da jemand einen neuen Dreh ausgedacht, den ich im Augenblick noch nicht durchschaute. Wenn er ihr nämlich das Negativ tatsächlich gab — wie wollte er dann zu seinem Geld kommen? Gab er ihr aber nur ein Duplikat dieses Negativs, was zu erwarten war, dann mußte er mit dem nächsten Negativ wieder von vorne anfangen. Erpressungen zu starten ist ja nicht schwer — schwierig für diese Burschen ist immer nur, ungefährdet zu ihrem Geld zu kommen. Der hier hatte sich allem Anschein nach etwas ganz Neues ausgedacht.
    »Das wäre heute abend «, sagte ich. »Haben Sie hundert Dollar?«
    »Ich... ich hätte sie schon«, sagte sie zögernd. »Aber...«
    »Schon gut, Miss Wilson. Gehen Sie ruhig mal hin.«
    »Ich soll...«, sie brach ab und blickte mich sichtlich enttäuscht an.
    »...hingehen, ja. Gehen Sie ruhig hin, und blättern Sie hundert Piepen auf den Tisch.«
    Auf ihrer hohen Stirn entstand eine steile Falte.
    »Dazu hätte ich mir das Fahrgeld von Hollywood hierher zu Ihnen wirklich sparen können«, sagte sie.
    »Alle Leute«, erklärte ich ihr, »die zu einem Detektiv gehen, der ihnen helfen soll,

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